Enthusiasmus strahlt aus

SPÄTI PALACE Musik aus Berlin, die kein Elektro ist, Musik, die im Dazwischen haust: Sie soll in Zukunft auf dem Label Späti Palace erscheinen, das Amande Dagod und Barry Cliffe gegründet haben

Cliffe glaubt an die Liebe der Musikkundschaft zum Vinyl: „Der Verkauf nahm zuletzt jedes Jahr zu. Und Digitalreleases können die Bands heute auch selbst rausbringen“

VON JENS UTHOFF

Späti – das ist ein anderes Wort für Grundversorgung in dieser Stadt. Ohne Späti kein Berlin, ohne Berlin kein Späti, so lauten die einfachen Gleichungen. Grundversorgungslücken gibt es dennoch, etwa in der hiesigen Musikszene: „Für manche Bands aus dem Indie-Bereich gab es bisher noch keine Plattform, vor allem für die, die in den kleineren Clubs und Läden spielen. Es gibt so viele talentierte Leute, so viel gutes Zeug“, sagt Barry Cliffe.

Cliffe schritt gemeinsam mit Bookerin Amande Dagod zur Tat. Sie gründeten ein Label namens „Späti Palace“. Im Herbst 2013 sind sie mit einem kostenlosen Sampler (als Download) an den Start gegangen, auf dem zwölf verschiedene Bands vertreten waren. Jüngst feierte man das erste „richtige“ Release, eine Split-Single der Berliner Bands Skiing und Classic Muscle auf Vinyl.

„Wir wollen uns auf Berliner Acts konzentrieren – ein Späti ist schließlich auch was Lokales“, sagt Dagod. Die beiden Labelbetreiber sitzen an einem Donnerstagabend in einer Neuköllner Kneipe bei einem Feierabendbier. Auf dem Tisch liegt ein Päckchen, in dem sich die frisch aus dem Presswerk gelieferten Platten befinden.

„Cheap and cheerful“ lautet dass Motto des Labels. Es soll für Cliffe reines Freizeitvergnügen bleiben, während er hauptberuflich in einem Online-Record-Shop in Wilmersdorf arbeitet. „Für mich ist dies der einzig denkbare Weg. Andernfalls wirst du verrückt“, sagt Cliffe im Hinblick auf den Druck und die Mechanismen in der kommerziellen Musikindustrie. Sie haben beide nicht vor, sich von dem Label zu ernähren. Dagod, die für die französische Touragentur „Julie Tippex“ tätig ist, meint: „Ich arbeite ja schon im Musikbusiness, ich bin eh schon verrückt.“ Die lockige 25–Jährige lacht, als sie das sagt.

Im Mai soll ein zweiter Sampler („Collection #2“) erscheinen, ehe man im Juni die erste LP veröffentlichen will, der das Debütalbum der Garage-Rock-Band Classic Muscle folgen soll. Vor allem Vinyl wolle man veröffentlichen, vielleicht auch als Liebhaberstück mal Kassetten. CDs wird es hingegen nicht geben. Der 38-Jährige Cliffe glaubt an die Liebe der Musikkundschaft zum Vinyl: „Der Verkauf nahm zuletzt ja auch jedes Jahr weiter zu. Und Digitalreleases können die Bands heute auch selbst rausbringen.“

Dagod, die aus einem Ort südlich von Genf stammt und seit gut vier Jahren in Berlin lebt, will auch die Gruppen jenseits der Elektroszene stärken: „Jedes Mal, wenn ich nach Frankreich zurückkomme, fragen die Leute mich nur nach den Elektropartys und dem Berghain. Ich mag Clubbing, aber da ist so viel mehr in der Berliner Szene, das zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.“

Cliffe, der in Dungarvan im südlichen Irland aufgewachsen ist und seit 2002 in Berlin lebt, will sich ungern auf den Begriff „Indie“ festlegen. „In-between-stuff“ sagt er lieber zu den Musikstilen, die in Späti Palace einen Ort finden sollen. Auf dem ersten Sampler des Labels finden sich unterschiedliche Bands wie die Dream-Popper Fenster oder The History of Colour TV, die sphärische, dichte Gitarrenmusik spielen. Insgesamt soll das Späti Palace-Universum Psychedelic genauso wie Pop, Geschrammel genauso wie repetitiven oder noisigen Rock umfassen.

Eine zentrale Anlaufstelle für jene In-Betweens aber muss das Label erst noch werden. „Im Idealfall entsteht dann ein Netzwerk wie etwa in der Punk- und Hardcore-Szene. Wenn man dort etwa drin ist als Band, kann man überall im deutschsprachigen Raum spielen. Als kleine, gute Indie-Band in Berlin ist das nicht gesagt. Das liegt auch daran, dass es eine viel heterogenere Szene ist“, erklärt Cliffe. Diese mehr zu bündeln, sei ihre Aufgabe, auch, damit die Bands zusammenfänden und weitere neue Projekte entstünden.

Mit der ersten Vinyl-Single, die in einer 250er-Auflage erscheint, hat man schon mal zwei exzellente Combos zusammengeführt. Skiing sind eine dreiköpfige Queer-/Transgender-Band, die mit ihrer Mischung aus 90er-Emo, Songwriter und Pop einen ähnlichen Enthusiasmus ausstrahlt wie die Labelbetreiber. Und bei Classic Muscle, die sich im August 2013 gegründet haben, scheppert und kracht es wie bei jeder guten Garagenrockband.

■ Skiing/Classic Muscle – Split-Single, 6 Euro. Zu bestellen bei Späti Palace. www.spaetipalace.com