„Die Sprache kann sich nicht wehren“

Richard Kelber war viele Jahre taz-Genosse. Bis heute schickt der 66-Jährige jeden Tag Korrekturen an die taz.de-Redaktion.

taz: Warum tun Sie sich das an? Richard Kelber: Ich mache das für taz.de, obwohl ich häufiger am guten Sinn von Texten zweifle und weil ich mich an eine andere Zeitung nicht mehr gewöhnen kann. Vor allem aber: Die Sprache ist hilflos, kann sich gegen ihre Misshandlung nicht wehren. Deshalb stehe ich ihr hier und da bei: doppelter Plural: „Männer mit Hüten“; doppelter Dativ: „im leerem Zimmer“; falsche Schreibweise, fehlende und falsche Buchstaben – all das sollte den Leserinnen und Lesern nicht zugemutet werden. Schon gar nicht eine Überschrift wie: „Linker Protest gegen Hollandes Politik – Ihr Vorwurf: Der Präsident ist viel zu arbeitnehmerfreundlich.“ Im Text steht: Hollande sei „… allzu unternehmerfreundlich und missachtet die Belange der Arbeitnehmer“. Wer im naturwissenschaftlichen Bereich einen solchen Fehler fabrizieren würde, bekäme schweren Ärger.

Welche Fehler finden Sie besonders absurd?

Besonders absurd sind Wörter, die Unmögliches benennen: Klimaerwärmung oder Schuldenaufnahme, die die taz mit der „Tagesschau“ teilt: Klima kann nicht erwärmt werden. Aufgenommen werden Kredite.

Die taz wird 35 Jahre alt. Was wünschen Sie sich von uns?

Ich fände es toll, wenn die taz sich dem Spruch von Churchill nicht beugen würde: „Wer mit 20 Jahren kein Kommunist ist, hat kein Herz. Wer mit 30 Jahren noch Kommunist ist, hat keinen Verstand!“ Wobei ich „Kommunist“ durch „Sozialist“ oder „Linke(r)“ ersetzen möchte.

INTERVIEW: PETRA DORN