Geständnis von rechts

Prozess um Anschläge auf Sinti-und-Roma-Lager und linkes Festival. Angeklagte sind weitgehend geständig. Einer will sich von rechten Kameraden gelöst haben

Die Anklage lautet auf versuchten Mord. Dem 24-jährigen Christian A. und dem ein Jahr jüngeren Ingo N. werden zwei Brandanschläge vorgeworfen. Bei beiden war nur Glück niemand zu Schaden gekommen. Seit gestern müssen sich die Angeklagten vor dem Potsdamer Landgericht verantworten.

In der Nacht zum 14. Juli 2001 waren vier Molotowcocktails gegen die Bühne des Antifa-Festivals „Le Monde est à nous“ in Königs Wusterhausen geworfen worden. Dort schliefen oder saßen zum Tatzeitpunkt mehrere Menschen, um die Bühne vor Anschlägen von Neonazis zu schützen. Am 30. September des gleichen Jahres flogen vier Brandsätze auf einen Wohnwagenplatz von Sinti und Roma im brandenburgischen Wildau. Sowohl N. als auch A. gestanden vor Gericht die Würfe auf die Festivalbühne. Ingo N. gab auch seine Beteiligung an der Attacke auf das Wohnwagenlager zu.

Schon in ihrem Auftritt unterscheiden sich die Angeklagten. Christian A. wird von der Vorsitzenden Richterin Eibisch aufgefordert, seine Jacke auszuziehen, weil sich auf der rechten Brust ein an ein SS-Symbol angelehntes Logo befindet. Unter Protest legt er die Jacke ab, darunter wird ein Sweatshirt mit der Aufschrift „VFS“ sichtbar – die Abkürzung für ein militantes italienisches Skinheadnetzwerk. Die Richterin legte ihm während der Verhandlung zudem Buttons vor, die A. bei den strengen Eingangskontrollen von Justizbeamten abgenommen worden waren. Auf einem stand „Heil Hitler“ auf einem zweiten „Good Night Left Side“.

Ingo N. trägt Anzug und Krawatte. Er macht einen geläuterten Eindruck. Dass Menschen auf der Bühne seien, habe er zur Tatzeit nicht gewusst, erzählt N. Er wolle damit aber nichts „beschönigen“. Er sei fest in der rechten Szene verankert gewesen. „Wir wollten in erster Linie Angst erzeugen“, sagt er zu seinem damaligen Motiv. Man habe das Festival vertreiben wollen. Erst nach den Anschlägen habe er Zweifel bekommen und sich von seinen Kameraden abgekehrt.

Seine Zeit in der Königs Wusterhausener Neonaziszene, die in der Schulzeit begann und mit einem Vorstandsposten im NPD-Kreisverband Dahme-Spreewald endete, habe er nach seinem Ausstieg und Wegzug komplett verdrängt, erklärt Ingo N. Erst mir der Zustellung der Anklage Anfang dieses Jahres habe er mit der Aufarbeitung angefangen. Derzeit engagiere er sich neben seinem Studium ehrenamtlich als Nachhilfelehrer und Netzwerkadministrator im Ausländerrat in Dresden. Dort wüssten alle um seine Vergangenheit.

In seiner weiteren Aussage belastete Ingo N. auch den Berliner Neonazi Sebastian Dahl schwer. Der wurde in einem ersten Verfahren gegen zwei Beteiligte bereits wegen des Anschlags auf das Festival zu fünf Jahren Haft verurteilt. Eine Beteiligung an dem Angriff auf das Wohnwagenlager hatte er jedoch bestritten. Ingo N. sagte nun aus, dass Dahl in Wildau beteiligt gewesen sei. Als ein Anwalt der Nebenklage beantragt, diese Aussage wörtlich ins Verhandlungsprotokoll aufzunehmen, rudert N. zurück und meint, so genau könne er sich doch nicht erinnern. Auch ob Christian A. dabei gewesen sei, wisse er nicht mehr genau.

„Man kann wohl nicht ausschließen, dass sie auch in Wildau zu viert gewesen sind“, meint Daniel Wölky, Anwalt der Nebenklage. Trotz der Schwere der Vorwürfe habe das Gericht einen Haftbefehl gegen die Angeklagten abgelehnt, kritisiert Alexander Hoffman, ein weitere Anwalt der Nebenklage. Das sei unverständlich, zumal die gleiche Strafkammer im Prozess gegen die Potsdamer Antifaschistin Julia S. die Angeklagte fünf Monate in Untersuchungshaft gehalten habe.

Der Prozess wird am Montag fortgesetzt. Jörg Meyer