Protest im kleinen Kreis

ORANIENPLATZ Drei Flüchtlinge setzen den Hungerstreik fort, auch eine Verhandlungsgruppe steht. Sie drängen auf den – zugesagten – Wiederaufbau des Versammlungszeltes. Doch bisher fehlen die Ansprechpartner des Senats

Der Infocontainer auf der anderen Seite des Platzes ist geöffnet. Aber er ist winzig. Bald soll er durch einen größeren ersetzt werden

VON JULIANE SCHUMACHER

Tag acht des Hungerstreiks. Feiertag, kaum Menschen auf den Straßen unterwegs, ein kühler Wind, von Zeit zu Zeit Nieselregen. An der Nordseite des Oranienplatz sind Transparente und Schilder auf dem Boden ausgebreitet. „Schaut mit dem Herzen!“, steht auf einem. Oder: „Hier hungern Menschen, um gehört zu werden.“ Dahinter erheben sich bunte Schirme und Plastikplanen, die die Schlafsäcke und Decken vor dem Regen schützen sollen.

Die Hungerstreikenden sind an diesem Morgen längst aus der dürftigen Unterkunft herausgekrochen, sie sitzen auf einer der Bänke am Rand des Platzes, die Beine übereinandergeschlagen, reiben sich die kühlen Hände. Drei sind es noch, sagt Turgay Ulu, er ist einer von ihnen. Eine Handvoll Unterstützer hat sich zu ihnen gesellt.

Donnerstag vergangener Woche sind sie in den Hungerstreik getreten, aus Protest gegen die Räumung des Camps. Sie sind der dürftige, der radikale Rest der protestierenden Flüchtlinge, die eineinhalb Jahre lang das Bild des Oranienplatzes geprägt haben. Die große Mehrheit der einstigen Bewohner hat den Platz freiwillig geräumt, sie zogen in ein ehemaliges Hostel in Friedrichshain. Diese kleine Gruppe allerdings will bleiben, sie wollen den Oranienplatz nicht aufgeben, der ihnen weiterhin die Möglichkeit bietet, ihre Forderungen in die Öffentlichkeit zu tragen.

Abends kommen mehr Leute, immer um 18 Uhr findet eine Mahnwache statt, mit Musik und Kunstdarbietungen. 50 bis 60 Menschen seien in den vergangenen Tagen jeweils da gewesen, heißt es vonseiten der Organisatoren, zu denen die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland gehört und Berlin Postkolonial.

Die Forderungen der Hungerstreikenden sind immer noch dieselben: Wiederaufbau von Info- und Versammlungszelt, Umwandlung der besetzten Schule in ein selbst verwaltetes Flüchtlingszentrum, Bleiberecht für alle der protestierenden Flüchtlinge. Die erste Forderung ist zum Teil bereits erfüllt: Der Infocontainer auf der anderen Seite des Platzes ist geöffnet. Aber er ist winzig, bald soll er durch einen größeren ersetzt werden. Der zweite Teil der Forderung ist noch nicht erfüllt worden: Das Zirkuszelt, das den Protestierenden als Versammlungsort diente, soll wiederaufgebaut werden. Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) hatte dies schriftlich zugesichert, nachdem die Sudanesin Napoli Langa fünf Tage lang in einem Baum auf dem Oranienplatz gegen den Abbau des Zeltes protestiert hatte. Langa hatte ihren Protest daraufhin beendet.

Ein Unterstützer vermutet, dass der Senat und der Bezirk darum ringen, wie mit diesem Zugeständnis umgegangen wird. Denn Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) hatte zuvor zwar zugesagt, einen Informationscontainer auf dem Platz zu belassen, den Wiederaufbau von Zelten jedoch kategorisch abgelehnt. Auf einer Veranstaltung am Dienstagabend, wo sie von Flüchtlingen heftig angegriffen wurde, hatte sie zugesagt, am nächsten Tag auf den Oranienplatz zu kommen. Daraus wurde bisher aber nichts. Sie sei weiterhin krank, hieß es am Freitag. Auch der Senat nimmt zögerlich Kontakt zu den Hungerstreikenden auf. Am Donnerstag kamen zwei Vertreter vorbei, allerdings keine offiziellen. Sie wollten sich telefonisch noch einmal melden, das aber sei nicht passiert, berichtet Ulu. Die Flüchtlinge haben sich laut einem Unterstützer auf fünf Vertreter – zwei Hungerstreikende, Langa und zwei Menschen aus der Schule – geeinigt, die mit dem Senat verhandeln sollen. Falls dieser dazu bereit sein sollte.