„Sanktionen nicht verschärfen“

Der CDU-Sozialpolitiker Gerald Weiß hält trotz Armutsdebatte die Hartz-IV-Gesetze für richtig. Dennoch: „Der Tendenz zu einem Generalverdacht gegen alle Hartz-IV-Empfänger werde ich entgegentreten“

taz: Herr Weiß, seit Tagen wird über „Armut“ und „Unterschicht“ debattiert. Bislang waren alle Versuche, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, weitgehend erfolglos …

Gerald Weiß: … besonders unter den sieben Jahren rot-grüne Regierung.

Hat die Hartz-IV-Reform das Problem verschärft?

Nein, nicht Hartz IV! Hartz IV ist vom Ansatz her richtig. Rot-Grün hat die Bürokratie weiter wachsen lassen, ein Dickicht neuer Steuerregelungen eingeführt. In dieser Zeit sind allein 1,7 Millionen versicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren gegangen. Seit die große Koalition an die Regierung kam, ist die Arbeitslosenzahl um fast eine halbe Million Menschen gesunken. Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben wir mehr als vor einem Jahr.

Die neuen Arbeitsplätze sind dem Anziehen der Konjunktur zu verdanken, es fehlen trotzdem noch 4,5 Millionen Stellen.

Das Anziehen der Konjunktur ist ja nicht vom Himmel gefallen. Wir haben dafür gesorgt, dass sich die Stimmung in der Wirtschaft aufhellt.

Glauben Sie, dass allein durch die anziehende Konjunktur alle 4,5 Millionen Arbeitslosen eine Stelle finden?

Nein. Die Sockelarbeitslosigkeit ist durch alle Konjunkturzyklen hindurch gewachsen und offenbar strukturell verfestigt. Wir brauchen also flankierende Arbeitsmarktpolitik …

das haben die Kanzler Kohl und Schröder auch erfolglos versucht. Ist es nicht Zeit, sich von der Lüge der Erwerbsarbeit für alle zu verabschieden?

Wenn Sie langfristig denken, nicht. Wenn die Kinder von heute erwachsen sind, wird wegen der demografischen Entwicklung ein Mangel an Arbeitskräften bestehen. Daher müssen wir mehr in gute Ausbildung investieren, das beginnt im Kindergarten. Wir müssen die Förderung der Kinder im Kindergarten kostenlos anbieten.

Ihr Parteikollege Günther Oettinger polemisiert gerade gegen den Berliner Bürgermeister Wowereit, weil der genau das durchsetzen will.

Wenn Berlin kein Geld hat, geht das da eben nicht. Wowereits Vorstoß ist gut – aber erst muss er die Finanzprobleme seiner Stadt in den Griff kriegen.

Ein anderer CDU-Kollege, der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus, plädiert für ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle. Hartz IV könne allenfalls die bestehenden Probleme in die Zukunft verschieben.

Das scheint mir keine Alternative. Damit verfestigen wir doch den Transferbezug. Wir müssen den Menschen Brücken in die Arbeit bauen. Die Verpflichtung, zumutbare Arbeit anzunehmen, muss bestehen bleiben.

Also weiter mit dem „Verwalten von Arbeitslosigkeit“, wie es die Opposition der Regierung vorwirft?

Das stimmt doch nicht. Wir sind dabei, Hartz IV mit seinem „Fordern und Fördern“ funktionsfähiger zu machen. Das System befindet sich aber noch im Probelauf und muss noch überarbeitet werden.

Aus Ihrer Fraktion kommen Forderungen, die Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger zu verschärfen.

Über diese Vorschläge lässt sich in der Tat streiten. Ich stehe ihnen tendenziell kritisch gegenüber. Ich sehe keinen Anlass, die Sanktionen zu verschärfen.

Werden Sie sich dafür einsetzten, dass die Sanktionen nicht verschärft werden?

Der Tendenz zu einem Generalverdacht gegen alle Hartz-IV-Empfänger werde ich auf jeden Fall entgegentreten.INTERVIEW: KATHARINA KOUFEN