Ein Schelmenkonzert

MÄRCHENKONZERT Das Musiktheater Atze erzählt das Märchen „Keloglan und die Räuberbande“ nach dem Berliner Autor Kemal Kurt, mit Musik von Sinem Altan

Die Bühne ist vollgepackt mit Instrumenten. Pauken und Trommeln, Trompeten und Posaunen bestimmen das Erscheinungsbild, umrahmt von einem Flügel und einigen Baglamas. Ein ungewöhnlicher Anblick in einem Kindertheater. Und in der Tat beschreitet das Atze Musiktheater mit „Keloglan und die Räuberbande“ neue Wege. Ein „Märchenkonzert“ nennt man die innovative Produktion, für die die 25-jährige Komponistin Sinem Altan die Musik geschrieben hat.

Der Text entstand auf Grundlage von Erzählungen des 2002 verstorbenen Berliner Autors Kemal Kurt, der die Keloglan-Geschichten aufgeschrieben hatte. Zumeist wurden die Märchen um den Schelmen Keloglan, eine Figur, die in einigen Zügen an Till Eulenspiegel erinnert, nur mündlich überliefert. Für die Atze-Produktion sind mehrere Märchen zusammengefasst.

Die elf MusikerInnen, zu denen außer der Komponistin (am Flügel) und den türkischen Musikern Özgür Ersoy und Serdar Saydan auch die BlechbläserInnen und Schlagzeuger des Rundfunk-Sinfonieorchesters zählen, treten ganz in Schwarz auf. Die Schauspielerin Sascha Özlem Soydan als Erzählerin dagegen erscheint in einem bonbonrosafarbenen Kleid und roten Schuhen. Sie hat ein großes Buch mitgebracht, aus dem sie vorliest. Schelmisch, schnippisch, schalkhaft setzt sie ihre Sätze einzeln in den Raum und imitiert variantenreich alle Stimmen, einschließlich jener der vierzig Räuber, mit denen Keloglan es zu tun bekommt und die keinen Satz sprechen können, ohne dabei auszuspucken. Das ist ein sehr dankbarer Running Gag.

Keloglan, so erfahren wir, ist ein Junge, über den immer alle lachen, da er kein einziges Haar auf dem Kopf hat. „Auf Türkisch heißt kel kahl und oglan Junge“, klärt uns die Erzählerin auf, und da haben wir wieder was gelernt. Arm ist er außerdem und muss mit seiner alten Mutter oft hungern. Doch der pfiffige Keloglan weiß das wenige, das er hat, zu nutzen, und schießt mit dem rostigen Gewehr, das er von seinem Vater geerbt hat, vierzig Goldfasane. Die werden gleich wieder von vierzig Räubern geraubt, aber Keloglan gibt nicht auf.

Diese Schelmengeschichte wird im Wechselspiel von Erzählerin, Sängerin (Begüm Tüzemen) und Orchester vorgetragen. Sinem Altan hat eine Musik dazu komponiert, die, mal lyrisch, dann burlesk, mal hintergründig, dann rauschhaft beschwingt, traumwandlerisch sicher jeden Gestus annimmt, der in der Entwicklung der Geschichte angelegt ist. Jazzige Rhythmen mischen sich mit orientalischen Harmonien, und die Bearbeitung eines alten deutschen Volkslieds hat Altan in ihre Keloglan-Musik ebenso integriert wie das Arrangement eines türkischen Traditionals.

Die musikalische Integration von Orient und Okzident gelingt ihr dabei aufs Mitreißendste. Alle, die da behaupten, dass der Orientalismus in der Musik nichts mit Kultur zu tun habe, sollte man dringend mal zu Atze schicken. Keloglan aber möchte man wünschen, dass er seinen Weg auch auf andere Bühnen findet. KATHARINA GRANZIN

■ Nächste Vorstellungen: 12. 12., 16 Uhr, 13./14. 12. je 10.30 Uhr, Atze Musiktheater, Luxemburger Str. 20