leserinnenbriefe
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Wechsel zu AKW-freiem Strom

■ betr.: „Massenhafte Selbstermächtigung“, taz vom 8. 11. 10.

Widerstand XXL? Massenhafte Selbstermächtigung? Ist ja schön, dass so viel los war, aber bitte auf dem Teppich bleiben: Es waren vielleicht ein Prozent der Bürger da, die die Laufzeitverlängerung der AKW ablehnen! Und der Rest? Keine Zeit, kein Reisegeld, keine Lust, keine Kraft, zu viel Angst?

Wie auch immer: Die effektivste Möglichkeit, den Atomwahn zu stoppen, steht uns auch zu Hause offen: der Wechsel zu AKW-freien Stromanbietern! Der kostet uns keine 50 Millionen Euro Steuergelder für den Polizeischutz (die dann wieder beim Sozialen eingespart werden), und die Atomkonzerne wären, wenn wir alle unsere Trägheit überwinden würden, über Nacht gezwungen, auf Erneuerbare umzusteigen oder ihren Laden dichtzumachen! Wir haben doch längst die (Konsumenten-)Macht. Warum nutzen wir sie nicht?

SABINE MIEHE, Marburg

Grüne Doppelmoral

■ betr.: „Annäherungsversuch“, taz vom 8. 11. 10

In der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in Bielefeld 2010–2014 vom Herbst 2009 heißt es über die Zukunft der Stadtwerke Bielefeld: „Das Gemeinschaftskraftwerk Grohnde soll bis 2018 bzw. bei Laufzeitverlängerung durch Änderung der Beschlusslage bis zum Laufzeitende genutzt werden.“ Das heißt faktisch, dass die Stadtwerke Bielefeld von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP „Grünes Licht“ für eine Weiternutzung der Atomenergie aus Grohnde auch über 2018 hinaus bekommen haben, noch ehe die Bundesregierung eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke beschlossen hat! Am AKW Grohnde sind die Stadtwerke Bielefeld zu 16,67 % beteiligt und beziehen von dort 53 % ihres Stroms. Laut dem Atomausstiegsbeschluss der rot-grünen Bundesregierung aus dem Jahr 2000 sollte Grohnde Mitte 2018 abgeschaltet werden.

In Bielefeld unterstützen die Grünen damit eine Weiternutzung des Stroms aus dem AKW Grohnde über 2018 hinaus und produzieren so über die Beteiligung der Stadtwerke Bielefeld an Grohnde neue Castortransporte. Beim Protest in Gorleben präsentieren sie sich als Atomkraftgegner. Welch Heuchelei! MARTIN SCHMELZ, Bielefeld

Protest wird Widerstand

■ betr.: „Widerstand XXL“, taz vom 8. 11. 10

„Protest ist, wenn ich sage, das und das passt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass das, was mir nicht passt, nicht länger geschieht.“ (Geäußert während der Internationalen Vietnam-Konferenz 1968) Es ist schön zu sehen, dass die Zeit des Protests offensichtlich vorbei ist und der Protest anfängt zum Widerstand zu werden, um dieses Land wieder etwas lebenswerter zu machen.

ECKART LÖHR, Essen

Wie eine Träne im Ozean

■ betr.: „Grube will flüsternde Güterbahnwaggons“,taz vom 2. 11. 10

Bahnchef Rüdiger Grube möchte 1.250 seiner Güterwagen mit leiseren Bremsen ausrüsten, die dem Stand der Technik entsprechen. Das ist löblich, doch letztlich wie eine Träne im Ozean von 100.000 Lärmgüterwagen der Deutschen Bahn. Hinzu kommen einige zehntausend ebenso veraltete Güterwagen von privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen, Speditionen und Waggonverleihern. Die Politik will, dass mehr Güter auf der Schiene transportiert werden, um den völligen Verkehrskollaps durch Lkws auf den Autobahnen hinauszuzögern. Somit steht insbesondere der Bund in der Verantwortung, als Gesetzgeber und als (noch) alleiniger Eigentümer der Deutschen Bahn, für einen menschenfreundlichen Güterverkehr Sorge zu tragen. Das bedeutet Minimierung von Lärm und Erschütterungen. Das das möglich ist, zeigt das Beispiel Schweiz: Dort sind mittlerweile alle Personen- und Güterwagen lärmsaniert, eine Volksabstimmung machte es möglich.

Die Forderung der kürzlich gegründeten Bahnlärm-Initiative Bremen nach Lärmsanierung alter Güterwagen wird auch von der Handelskammer Bremen unterstützt. Denn der Handelskammer ist bewusst: Der Wirtschaftsverkehr kann nur reibungslos laufen, wenn er in der Bevölkerung auf Akzeptanz stoßen. Die Auseinandersetzung um „Stuttgart 21“ macht deutlich, was passieren kann, wenn Politiker und Bahn eine faire Bürgerbeteiligung vernachlässigen.

WALTER RUFFLER, Bremen