Weinreben, so weit das Auge reicht

Schwarze Weinhersteller am Kap sind noch nicht zahlreich. „Black Economic Empowerment“ ist das Schlagwort, das den Anteil Schwarzer auch am Weinbau erhöhen soll. Ein Besuch bei den neuen Besitzern der südafrikanischen Bouwland-Farm

von MARTINA SCHWIKOWSKI

Die Felder der Bouwland-Farm ziehen sich bis zum Horizont des grünen Tales in Stellenbosch, der beliebten Weinregion am Kap. Patience Mansile geht von Rebe zu Rebe und trimmt die knorrigen Äste. „Sie werden in den nächsten Wochen zum Frühling neu sprießen“, sagt sie in Afrikaans. Die 43-Jährige arbeitet sich mit der Gartenschere durch die Rebstöcke auf dem weiten Feld, von dem sie selbst einen Anteil besitzt: Seit der weiße Boss der Nachbarfarm Beyerskloof einigen seiner Mitarbeiter im Jahr 2001 die Bouwland-Farm zum Kauf angeboten hat, besitzen 60 Schwarze 74 Prozent der Farm, nur 26 Prozent gehören noch dem Weißen Beyers Truter.

Patience, die mit insgesamt 39 Familien das Land bewirtschaftet, gehört zu den wenigen Schwarzen, die im Kap in den letzten Jahren als Farmarbeiter die Chance erhielten, an der Weinproduktion beteiligt zu werden und sogar ein Stück Land besitzen. Patience kann mit einem Durchschnittsgehalt von rund 250 Euro im Monat ihre drei Kinder durchbringen, Schulgebühren bezahlen und hat am Jahresende erstmals eine magere Dividende von 55 Euro erhalten. Noch ist Bouwland seit Betriebsbeginn der neuen Eigentümer 2003 im Aufbau, aber die Exporte ins Ausland steigen.

Onetia Africa sitzt im notdürftig eingerichteten Büro des alten Bouwland-Farmhauses, dessen Veranda hohe Palmen umsäumen. Ein lauschiger Garten mit Swimmingpool wird für Weinproben künftiger Besucher hergerichtet. Onetia Africa, ehemals Lehrerin, hat die Übergabe der 56 Hektar großen Farm mitbegleitet und konzentriert sich nun auf die internationale Vermarktung des Merlot, Cabernet Sauvignon und des südafrikanischen Pinotage, hergestellt aus der landeseigenen Weinrebe. „Beyers Truter unterstützt das Vorhaben. Wir können seinen Weinkeller auf Beyerskloof nutzen, bis wir unseren eigenen gebaut haben.“ Doch erst müssen die Kredite an Banken und Entwicklungsorganisationen durch Weinverkauf abgezahlt werden.

Bouwland wurde für 10 Millionen Rand (heute ca. 1,2 Mio Euro) an die neuen schwarzen Besitzer verkauft. Weinkäufer in Belgien, Deutschland, England, den Niederlanden und den Vereinigten Staaten tragen zur Finanzierung und damit zur Existenz von Bouwland bei. Gerade ging eine Schiffsladung mit Wein nach New York. Dort besuchte Onetia selbst die Restaurants, um sich Klarheit über die Wünsche der Konsumenten zu verschaffen, denn sie will das Angebot der Bouwland-Weine erweitern. So entdeckte die 44-Jährige auch einen neuen Markt bei ihrem Besuch in Neubrandenburg und Berlin. Sponsoren für Reisekosten sind nötig zur Durchsetzung der Pläne. Auch die Ausbildungen der Farmarbeiter sind nur mit Hilfe von Regierungsgeldern, Zuschüssen von Weinakademien und Instituten möglich.

Viele Farmarbeiter, die seit Generationen auf Farmen leben, können weder lesen noch schreiben, und sie sprechen kein Englisch. Onetia bemüht sich, Weiterbildungen zu organisieren. „Black Economic Empowerment“ (BEE) ist das Schlagwort, das in Südafrikas Wirtschaft den Anteil Schwarzer in den oberen Etagen von Unternehmen erhöhen soll. In der Weinindustrie hält BEE langsam Einzug.

Inzwischen gibt es 22 so genannte BEE-Farmen am Kap, die nach den Richtlinien der Wein-Charta die dort vorgeschriebenen Aspekte wie Management, Eigentum oder Ausbildung für schwarze Arbeiter umsetzen. Dennoch ist bisher nur ein Prozent der Fläche für den Weinanbau am Kap in schwarzem Besitz. BEE wird bei vielen weißen Farmern abgelehnt oder mangelhaft umgesetzt. Und die Charta soll erst nach weiterer Diskussion künftig zum Gesetz werden.

Der Weinindustrie in Südafrika geht es nicht gut. Die Produktionskosten sind hoch, es gibt zu viel Wein auf dem Markt. Nach den Apartheidssanktionen und einer kontrollierten Wirtschaft hat sich die Weinindustrie ausgedehnt, allein 2003 sind 93 neue Weinkeller im Land eröffnet worden, und Südafrikaner trinken wenig Wein. Exporte – mehr als 50 Prozent werden ins Ausland verkauft – sind wegen des anfälligen Währungskurses ein Risikogeschäft. Und besonders für die neuen schwarzen Besitzer ist es schwierig, die hohen Kosten für die dauerhafte Bewirtschaftung aufzubringen.

Trotz vieler noch bestehender Hürden lassen sich die neuen Landeigentümer auf Bouwland nicht beeinträchtigen. Ausbaupläne für die Farm sind bereits gezeichnet. Rund um den Bewässerungsdamm sollen Restaurants, Picknickplätze und Gästehäuser entstehen, auf dem Wasser kleine Boote die Besucher hin- und herfahren. „Ich kämpfe auch für die Frauen, die in Bezahlung und Chancen am Arbeitsplatz gleichberechtigt werden müssen, denn immerhin sind fast die Hälfte der 60 Teilhaber weiblich“, sagt Onetia Africa. Die Regierung plant, Billighäuser für die Farmarbeiter zu bauen, die in schlechten Unterkünften auf den umliegenden Farmen leben. Erziehung und Gesundheitsprojekte sollen die ArbeiterInnen weiter stärken. Onetia Africas will die Geschichte Bouwlands, die 1803 mit Gründung der Farm begann, in Buchform veröffentlichen: „Früher waren unsere Ahnen Sklaven, heute besitzen sie ihr eigenes Land.“