Ensemble der Langsamkeit

FUSSBALL In Nürnberg herrscht Tristesse. Nun patzen auch die erfahrenen Fußballprofis und die Leverkusener spielen zu schnell

NÜRNBERG taz | Als die Nürnberger Spieler mit gesenkten Köpfen in die Kabine gingen, pfiffen nur wenige Fans. Die Mehrzahl der 40.000 Zuschauer hatte das Stadion längst enttäuscht und schweigend verlassen, als das 1:4 gegen Bayer Leverkusen feststand. Ihre Mannschaft war mal wieder chancenlos gewesen und hatte die achte Niederlage im neunten Spiel in Folge hinnehmen müssen.

„Es führt kein Weg daran vorbei, dass Leverkusen individuell besser ist“, ächzte Nürnbergs Innenverteidiger Emanuel Pogatetz, der als einer der wenigen auch in den 90 Minuten vor den Interviews bei Sinnen war. „Aber das erklärt nicht, warum wir uns selbst bei Standardsituationen so dumm angestellt haben.“ So habe man eben Tor um Tor gefangen. Und nach dem zwischenzeitlichen 3:1 „ein bisschen den Mut verloren“.

Dabei hatte der FCN ordentlich angefangen, hatte halbwegs kompakt agiert und sogar ein, zwei Angriffe abschließen können. Doch nach dem zwischenzeitlichen Hoffnungsschimmer – Marvin Plattenhardt hatte die Leverkusener Führung durch Emir Spahic (16.) ausgeglichen (26.) – kam es knüppeldick. Sebastian Boenisch (48.), Spahic (80.) und der eingewechselte Roberto Hilbert (87.) trafen zum völlig verdienten 4:1-Sieg einer Leverkusener Mannschaft, die plötzlich wieder beste Chancen auf die Teilnahme an der Champions League hat.

Die Tore, welche die quirligen Bayer-Spieler um den starken 17-jährigen Julian Brandt dabei erzielten, legten die Nürnberger Unzulänglichkeiten dabei gnadenlos offen: Vor dem 1:3 spazierte Heung Min Son 76 Meter über das Feld und enteilte dabei allen Gegenspielern. Bei den Distanzschüssen von Spahic und Hilbert sah Keeper Raphael Schäfer nicht gut aus. Und vor dem 2:1 durch Boenisch patzte Mike Frantz (48.), einer der Leistungsträger in der jungen Nürnberger Mannschaft. „Die erfahrenen Spieler müssen die Mannschaft jetzt wieder aufrichten“, forderte Verteidiger Javier Pinola. Doch gerade die hatten im Spiel zuvor gepatzt.

Allerdings würden auch ganz andere Mannschaften Probleme bekommen, wenn jeder zweite Stammspieler verletzungsbedingt ausfällt: Gegen Leverkusen fehlten Timothy Chandler, Makoto Hasebe, Daniel Ginczek, Markus Feulner, Adam Hlousek, Timo Gebhart, Per Nilsson und Ondrej Petrak. Stattdessen, so Trainer Gertjan Verbeek, standen „drei, vier Spieler im Kader, die am Dienstag wieder U 23 spielen“. Doch so beklagenswert die Verletztenmisere sein mag – dass kaum ein Nürnberger Spieler ein Laufduell gewinnen kann, weil er schlichtweg zu langsam ist, hätte bei der Kaderplanung auch schon auffallen können.

Nach Lage der Dinge reicht es derzeit kaum für den Relegationsplatz, den der HSV mit einem Zähler Vorsprung okkupiert. „Vor sechs Wochen habe ich gesagt, dass wir noch drei Spiele gewinnen müssen“, sagte Club-Trainer Gertjan Verbeek, „und jetzt sind nur noch drei Spiele übrig …“

CHRISTOPH RUF