„Verbrecherisches“ Verhalten des Kapitäns

SÜDKOREA Totale Konfusion zwischen Kommandobrücke und Überwachungsstelle. Evakuierung unnötig verzögert. Kapitän der „Sewol“ soll sich als einer der ersten gerettet haben. Noch mehr als 240 Vermisste

SEOUL dpa | Die südkoreanische Staatspräsidentin hat dem Kapitän und einigen Besatzungsmitgliedern der gesunkenen Fähre „Sewol“ mörderisches Verhalten vorgeworfen. Während sie den Passagieren gesagt hätten, sie sollten an Ort und Stelle bleiben, seien sie selbst unter den ersten gewesen, die sich gerettet hätten, sagte Park Geun Hye am Montag in Seoul. Das Verhalten sei nicht zu tolerieren. „Das kommt einem Mord gleich“, sagte die Staatspräsidentin. Nach dem Kapitän, der Dritten Offizierin und dem Steuermann wurden inzwischen vier weitere Crewmitglieder unter dem Verdacht der Fahrlässigkeit verhaftet.

Bergungsmannschaften setzten auch am fünften Tag nach der Katastrophe vor der Südwestküste Südkoreas ihre Suche nach den mehr als 240 Vermissten fort. Die meisten der 476 Menschen an Bord waren Schüler auf einem Ausflug. Angehörige der Vermissten harrten weiter nahe der Unglücksstelle auf der Insel Chindo aus – in der Hoffnung, dass noch Überlebende gefunden werden. Die Zahl der geborgenen Toten stieg derweil auf mehr als 60.

Die Auto- und Personenfähre „Sewol“ war am Mittwoch gekentert, nach Angaben der Ermittler genau zu dem Zeitpunkt, als das Schiff eine scharfe Wende vorgenommen hatte. 174 Menschen wurden gerettet, darunter der Kapitän und die meisten anderen der 28 Besatzungsmitglieder.

Der Kapitän, die Dritte Offizierin und der Steuermann sitzen seit Samstag in U-Haft. Am Montag wurden nach Berichten der nationalen Nachrichtenagentur Yonhap auch gegen den leitenden Ingenieur und gegen drei weitere Offiziere Haftbefehle erlassen. Dem Kapitän und Teilen der Besatzung wird vorgeworfen, die Passagiere ihrem Schicksal überlassen zu haben. Die Ermittler untersuchen auch, warum die Besatzung keine Evakuierungsdurchsage unmittelbar nach dem Unfall gemacht hatte.

Der Mitschnitt des letzten Funkkontakts zwischen der Kommandobrücke und der Überwachungsstelle für den Seeverkehr auf der Insel Chindo zeigt das Ausmaß von Konfusion, falschen Entscheidungen und Unentschlossenheit. Zwischen der „Sewol“ und dem Schiffsverkehrsdienst bestand nach dem Eingang des ersten Notrufs noch etwa eine halbe Stunde Kontakt. Den Mitschnitt hatte die Küstenwache veröffentlicht. Demnach wurde die Crew erst nach etwa 20 Minuten aufgefordert, zu entscheiden, ob das Schiff evakuiert werden sollte. „Wir kennen die Situation nicht so gut“, so der Schiffsdienst.