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Rock ’n’ Roller in Uniform

Jan Fedder, Kind des Rotlichtmilieus, bekommt den Deutschen Fernsehpreis – dafür, dass er in der Literaturverfilmung „Mann im Strom“ aus der Rolle gefallen ist. Im „Großstadtrevier“ soll er demnächst die Leitung übernehmen. Das Drehbuch zur Dauerserie ist angeblich von seinem Leben inspiriert

VON JAN FREITAG

Stefan Niggemeier muss Jan Fedder gemeint haben, als er die Live-Gala der ARD auseinander nahm. Am Freitagabend habe es bis auf zwei, drei Dankesreden nur peinliche Showroutine in biederster öffentlich-rechtlicher Übertragungstradition gegeben, schrieb der einflussreiche Medienjournalist gestern in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Jan Fedder zum Beispiel dichtete nach Verleihung der Trophäe für den besten Schauspieler: „Und die Moral von der Geschicht’ – ‚mach‘ einfach vier Wochen ein andres Gesicht.“ Schon hier konnten sich Szenekenner das Lachen nicht verkneifen. Doch als Jan Fedder seine kurze Laudatio schloss, wurde es richtig ausgelassen im Saal: „Dann, mein Alter, das ist kein Scheiß, gewinnt man den deutschen Fernsehpreis.“

Diese Mischung aus Selbstironie, Straßensprache und Realitätssinn ist typisch für Fedder, den Mann mit dem markantesten Dackelblick der Republik. Denn abgesehen von seiner Titelrolle in der eindringlichen Lenz-Verfilmung „Der Mann im Strom“, hat er seine Rollen eigentlich immer mit dem gleichen Gesicht bestritten. Oder besser: damit brilliert. Denn seine Rolle als Streifenpolizist Dirk Matthies in der Endlosserie Großstadtrevier hat den 51-Jährigen mehr auf einen Charakter festgenagelt, als viele seiner Kollegen.

Jan Fedder ist „Dirk Matthies“, er hat ihn mit Leben gefüllt, er bildet seit 1991 das Rückgrat, die Seele und das Herz der bundesweit erfolgreichsten Vorabendserie im Ersten. Als damals die Rollenbiografie erstellt wurde, erinnerte sich Fedder anlässlich seines runden Geburtstags im vergangenen Jahr, habe er einfach seine eigene Lebensgeschichte erzählt, eine, die reich gefüllt ist mit Anekdoten übers Kettenrauchen, über Alkoholexzesse und Kiezgerüchte. „Da sind dann viele Sachen übernommen worden.“

Fedder, der Bauchmensch, zum Beispiel. Fedder, die Hamburger Schnauze. Fedder, der Rock ’n’ Roller. Fedder, der liebenswerte Chaot. Fedder, das Kind aus dem Rotlichtmilieu. Und vor allem Fedder, der aufrichtige Gerechtigkeitsmensch – auch, wenn seine Jugend gelegentlich auf der anderen Seite des Gesetzes stattgefunden haben soll.

Als er 1955 eben dort geboren wurde, wo das „Großstadtrevier“ seit bald 250 Folgen spielt, war seine Mentalität in gewisser Weise vorgeprägt. Als Sohn einer Tänzerin und eines Kneipenwirtes inmitten St. Paulis war ein derber Charakter hinter dickem Fell eine Art Wettbewerbskriterium auf dem damals noch seemannsromantischen Kiez. Kein Wunder also, dass ihm die neue Uniform zunächst schlecht zu passen schien. „Ich gehörte durch die gegebenen Widrigkeiten logischerweise zur anderen Seite“, erzählte er einst dem Magazin Stern.

Eine ganz andere, heiklere, schmutzigere Uniform hatte ihm bereits zehn Jahre vorher zu einer Vorform von echter Berühmtheit verholfen. Als rauer Maat „Pilgrim“ ging er in Wolfgang Petersens „Das Boot“ weltweit erfolgreich unter Wasser. Danach hielt er sich als Episoden- oder Nebendarsteller mehrerer Fernsehproduktionen im Gespräch. Wirklich bekannt, in seiner Heimatregion sogar wie ein bunter Hund, wurde Fedder erst als kumpelhafter Peterwagenpilot Matthies, der im Laufe der Jahre fünf junge Beifahrerinnen verschlissen hat.

Jan Fedder also, der Herzensbrecher. Eigentlich eine etwas ungewöhnliche Rolle für den gelernten Speditionskaufmann, der 19 Jahre lang Kindertheater gespielt hat und neben der Polizeiarbeit gern das grobschlächtige Landei in NDR-Serien wie „Heimatgeschichten“ und der Comedyreihe „Neues aus Büttenwerder“ gibt. Sein größtes Talent ist nun mal die Glaubwürdigkeit. Gepaart mit seiner flachländischen Lakonie, seinem groben Charme und seiner grundehrlichen Ausstrahlung, prägt sie das Bild Jan Fedders als Urbild des norddeutschen Mannes.

Und so musste er in Niki Steins Romanverfilmung vom „Mann im Strom“ zwar tatsächlich vier Wochen anders gucken als Dirk Matthies oder Bauer Brakelmann, weniger fröhlich, weniger lässig, ein bisschen ernster, seriöser; doch so leicht und heiter wie Fedder kann man die Geschichte des alternden Tauchschweißers Jan Hinrich im Kampf um Arbeit und Würde kaum erzählen.

Ein Heimatfilm zwar, mit all den üblichen Querverweisen auf die gute alte Zeit, die angesichts der ersten Verfilmung von 1958 mit Hans Albers in der Hauptrolle so gut nicht gewesen sein kann. Mit der altersgerechten Mundharmonikamusik im Hintergrund und der deutschlandtypischen Humorlosigkeit, die sozialkritische Themen ohne jeden Anflug britischer Lockerheit abhandelt. Doch Jan Fedder schafft es mit seinem unnachahmlichen Stirnrunzeln und dem hamburgischen Slang immer wieder, die Härte des Lebens auf dem Abstellgleis der Arbeitswelt weich zu spielen.

Andere können das auch. Nicht gerade die barocken Denkmäler dieses Charakters wie Freddy Quinn und Hans Albers, aber so genannte Volksschauspieler wie Henry Vahl oder Heinz Reincke. Doch die sind tot und hatten für generationsübergreifende Strahlkraft einfach weniger Rock im Repertoire als Jan Fedder, dem Sänger der Gitarren-Band „Big Balls“.

Dennoch gehört Fedder, der auf seinem Hof in Schleswig-Holstein Autos und andere Automaten sammelt, längst zu einer aussterbenden Gattung von Schauspielern mit echtem Lokalkolorit. 2007 dürfte er seiner eigenen Legende ein Stückchen näher rücken. Dann nämlich übernimmt Jan Fedder die Leitung der Wache 14 im „Großstadtrevier“ – hoffentlich kein Schritt aufs Altenteil.

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