: „Man hätte mal reden müssen“
SKI ALPIN Am Sonntag wird der erste Slalom der Saison in Finnland gestartet. Mit dabei: Felix Neureuther, der 2018 gerne in seiner Garmischer Heimat bei Olympia fahren würde
■ Der 26-jährige Garmischer ist Deutschlands bester Slalomfahrer. In der vergangenen Saison hat der Technikspezialist seine ersten beiden Weltcupsiege eingefahren.
INTERVIEW THOMAS BECKER
Neulich auf dem Söldener Gletscher. Felix Neureuther fährt vorbei, grüßt, fragt: „Na, wie geht’s?“ Der Reporter: „Mal sehen, erste Fahrt nach Knie-OP.“ Darauf Neureuther: „Dann geht’s dir ja genauso wie mir.“ Ein Gespräch mit Deutschlands bestem Slalomfahrer über Knorpel, Garmischer Kühe und die WM vor der eigenen Haustür.
taz: Herr Neureuther, kurz nach der vergangenen Saison hieß es: Knie aufräumen! Was war los? Felix Neureuther: Das hat schon früher begonnen. Ich habe einen Frühjahrsputz machen lassen. Es war die ganze Saison eigentlich schon so, dass das Knie immer recht dick geworden ist. Bei bestimmten Bewegungen habe ich es dann nicht mehr richtig strecken oder beugen können, weil sich Knorpelteile gelöst hatten. Die haben sich im Gelenkspalt verklemmt und mussten dann rausgemacht werden. Das musste man machen, und das hat auch was gebracht.
Auf lange Sicht klingt das aber nicht gut: ein Skifahrer ohne Knorpel im Knie!
Ja, mein Knorpel ist sowieso schon sehr, sehr schlecht. Wenn ich bis 35 Skifahren kann, dann werden die Ärzte vielleicht schon irgendwas erfunden haben. Es gibt ja auch künstliche Kniegelenke. Aber diese Probleme habe ich schon lange. Mit 16 hatte ich meine erste Knie-OP am linken Knie – seitdem ist das eigentlich immer präsent.
Kommen die Probleme vom Skifahren?
Ich denke, dass der erste Knorpelschaden eher vom Fußballspielen gekommen ist.
Ist es nur die linke Haxe?
An der rechten bin ich mit 17 operiert worden – das ist halt sehr gut geworden, im Gegensatz zur linken.
Skifahrer gelten ja als große Verdränger in Sachen Schmerzen. Sind Schmerzmittel Ihre ständigen Begleiter?
Ja, schon. Es ist halt permanent eine Schwellung im Knie, und die muss man halt irgendwie wieder rausbekommen. Aber die Sachen, die wir nehmen dürfen, da kannst du genauso gut ein Zitronen-Guddi lutschen – das nützt genauso viel. Also muss man vor allem über Krafttraining das Knie schützen.
Wie haben sich diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf Ihre Karriereplanung ausgewirkt?
Ich habe das ja schon von klein auf gemerkt, hatte ja viel vorgehabt als junger Bursch. Als Kind war mein großer Traum, die Streif in Kitzbühel zu gewinnen. Jetzt hab ich dort den Slalom gewonnen, aber vom Körper her muss man wirklich herausragend fit sein, um ein Allrounder sein zu können. Wenn man sieht, was für Belastungen übers ganze Jahr auf unsere Körper kommen! Auch ein Svindal, Raich oder Miller lassen Rennen aus, um das alles verkraften zu können.
Vor zwei Jahren hatten Sie noch angekündigt, verstärkt Abfahrt trainieren zu wollen. Fällt das nun flach?
Ja. Der Körper steht an erster Stelle. Ich habe das auch im letzten Jahr gemerkt, als ich in Lake Louise und Beaver Creek Abfahrt gefahren bin, dass das einfach an die Substanz geht. Und wenn ich realistisch bin, habe ich im Slalom bessere Chancen, eine Medaille zu gewinnen. Jetzt irgendwelche Experimente zu machen, wäre fehl am Platz.
Das heißt: Den Abfahrer Neureuther werden wir nicht mehr sehen?
Nein, nur mehr den Slalom- und Riesenslalomfahrer.
Wie viel Rückenwind nehmen Sie aus der guten letzten Saison mit dem ersten Weltcup-Sieg mit?
Man geht wesentlich relaxter an Trainingseinheiten ran. Auch wenn mal ein Tag dabei ist, wenn man nicht gut fährt. Die letzten Jahre war ich da so angefressen, total sauer und unzugänglich. Jetzt kann ich mich wesentlich leichter entspannen.
Nun haben Sie eine besondere Saison vor der Nase mit der Heim-WM als Krönung. Die Erwartungshaltung, der Druck – mindert das nicht die Vorfreude?
Wieso mindern? Da sind 10.000 Leute, die dich anfeuern, und du fährst da runter, findest es nur so geil und wirst so angepusht von denen – ich kann mir nicht vorstellen, dass man vor so einer Situation Angst hat. Da muss man sich drauf freuen können und einfach „on fire“ sein, dass man so was erleben darf – und das bin ich auch. Ich hab’s ja letztes Jahr beim Weltcup-Finale in Garmisch gezeigt, wo ich gewonnen habe.
Apropos Garmisch: Wie erleben Sie die Olympiabewerbung 2018?
Kein einfaches Thema. Irgendwo ist es schade, dass auch Fehler gemacht worden sind, auch im Umgang mit den Bauern. Speziell wenn man Vancouver erlebt hat, wie die Bevölkerung dahintergestanden ist, dann ist es schade festzustellen, dass viele nur das Negative sehen und nicht dass Deutschland die Chance hätte, mal wieder so vereint zu sein, wie es von der Tragweite sonst nur bei einer Fußball-WM ist. Das ist so ein deutscher Grundsatz. Deswegen muss man die Leute begeistern können – und in Garmisch sind die Leute begeistert. Aber positive Stimmen werden in den Medien nie so gehört wie die negativen Stimmen.
Merkwürdig ist doch, dass viele deutsche Wintersport-Persönlichkeiten nicht von der Bewerbergesellschaft eingebunden wurden. Gerade in Ihrer Familie gäbe es ja perfekte Botschafter.
Mit uns wurde ja überhaupt nicht geredet. Und dann wurden wir kritisiert, dass wir uns nicht mehr einbringen. Das ist alles sehr zerfahren abgelaufen am Anfang. Und das war vielleicht auch nicht 100 Prozent strukturiert. Aber zum Beispiel meine Eltern (Rosi Mittermeier und Christian Neureuther, Anm. d. Redaktion). Die tun sehr viel, aber wenn du in Garmisch wohnst und du willst da auch noch ein bisschen länger wohnen und du bekommst das alles mit, wie die Leute reagieren, und du engagierst dich da mit Herzblut, dann haben wir in Garmisch garantiert keine ruhige Minute mehr.
Kennen Sie die betroffenen Bauern denn?
Persönlich weiß ich’s gar nicht. Die Wiesen, um die es geht, das sind ja tote Wiesen. Da passiert ja nix drauf. Es geht glaub ich um insgesamt 30 Kühe, weshalb das Ganze nicht stattfindet.
Wie schätzen Sie die Chancen für 2018 ein?
Trotzdem nicht schlecht. Ich verstehe ja die Bauern auch irgendwo. Aber man hätte halt im Vorhinein mal reden müssen. Es wäre halt einfach ein Traum, Olympische Spiele in Deutschland zu haben.
Haben Sie selbst 2018 im Hinterkopf?
Definitiv! Das sind knapp sieben Jahre, da bin ich 33. Mir wär’s wurscht, wenn ich ab 34 nicht mehr gehen könnte. Heim-WM ist was anderes, aber Olympische Spiele zu Hause, das wäre schon noch mal eine Nummer krasser.
Wie weit haben Sie es von zu Hause bis zum Gudiberg, wo der Slalom gefahren wird?
Der ist genau auf der anderen Seite von Garmisch, zehn Minuten mit dem Auto. Na ja, in der Früh, wenn ich ins Training fahre: 6 Minuten 15 Sekunden, ungefähr.
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