Der totale Wandel

Real Madrid ist wieder wettbewerbsfähig. Beim 2:0 im Meisterschaftsspiel gegen den FC Barcelona überzeugt die Mannschaft von Fabio Capello vor allem durch gute Organisation und Aggressivität

AUS MADRID RALF ITZEL

Noch einmal bekam Ronaldinho den Ball, wollte ihn einem fünf Meter entfernten Kollegen zuschieben – und fabrizierte einen Fehlpass. Die letzte Aktion des Weltstars fasste seinen Vortrag am Sonntagabend in Spaniens Fußball-Klassiker gut zusammen. Vergangenes Jahr hatte der Künstler des FC Barcelona im Bernabeu-Stadion zwei zauberhafte Tore zelebriert, die sogar den Real-Fans Beifall abnötigten. Diesmal wurde ihm neben Hohn von den Rängen nur der Trost der Madrider Spieler zuteil, die den beliebten Brasilianer im Mittelkreis herzten, als ihr 2:0-Erfolg besiegelt war.

Ronaldinho ist derzeit ein Abklatsch seiner selbst, und da auch der andere herausragende Offensivakteur fehlt, kriselt es bei Barça. Samuel Etoo, der zweite Hauptdarsteller der 3:0-Gala im November 2005, fällt noch Monate verletzt aus. So musste er, das lädierte Knie hochgelegt, die Partie zu Hause verfolgen und mit ansehen, wie sein Vertreter, der Isländer Gudjohnsen, erstklassige Pässe Lionel Messis vergeudete. Messi bot als einziger der Blau-Roten eine überdurchschnittliche Leistung. In der zweiten Halbzeit wurde allerdings selbst er wirkungslos, was am eigenartigen Coaching Frank Rijkaards lag, der den 19-Jährigen ins Mittelfeld zurückzog, als er Deco aus- und den Flügelflitzer Giuly einwechselte. Im Mittelfeld bot er keinen echten defensiven Akteur auf, sondern das spielstarke Trio Xavi, Iniesta und Deco. In die Abwehrzentrale stellte er neben Puyol nicht den Strategen Marquez, sondern den Stopper Thuram, was sich genauso als Fehler erwies wie Gudjohnsen anstelle des Argentiniers Saviola stürmen zu lassen. „Die Wechsel haben nicht geholfen“, räumte Rijkaard ein. So war es zur Hälfte Barcas Schuld, dass Real in diesem unterhaltsamen Spiel Revanche nehmen konnte für die Schmach der Vorsaison.

Die andere Hälfte war das Verdienst Reals. Oder Fabio Capellos, wie der Trainer selbst fand. „Jetzt sind wir eine Mannschaft“, jubilierte er und bezeichnete seine Ansprache nach der Niederlage vor einer Woche bei Bernd Schusters Getafe als ursächlich für „den totalen Wandel“. Der bärbeißige 60-Jährige hatte sich das Personal am neuen Trainingszentrum in Valdebebas vorgeknöpft, ihm mit Verbannung auf die Tribüne und Entlassung gedroht. So angestachelt, servierten seine Männer die Essenz der Capello-Lehre: Organisation, Solidität, Aggressivität, Teamgeist, Durchschlagskraft.

Besonders furios ging Raul zu Werke, ihm gelang nach nur zwei Minuten per Kopfball der Führungstreffer. Nach anderthalbjähriger Odyssee zwischen Kliniken und ungewohnten Positionen auf dem Rasen darf der Kapitän nun wieder dort wirken, wo er nützlich ist: in der Nähe des gegnerischen Tors. „Wenn wir rennen und kämpfen, werden wir vorankommen“, meinte der 29-Jährige hernach. Genau das taten sie, als Barca das Geschehen in den Griff bekam und Chancen kreierte. Zum Glück des Gastgebers gelang durch van Nistelrooy auch zu Beginn der zweiten Halbzeit ein Treffer. Es wurde deutlich: Real ist wieder wettbewerbsfähig und hat seine Selbstachtung zurückgewonnen. Einen interessanten Stil hat die Elf indes nicht, was unter Capello auch nicht zu erwarten war.

Der Champions-League-Sieger dagegen bleibt auch in diesen schwierigen Zeiten seinem Offensivstil treu. Es wäre verfrüht, bei Barca eine Götterdämmerung heraufzubeschwören wie sie kürzlich Real ereilte. „Ich bin enttäuscht, aber nicht besorgt“, sagte Trainer Rijkaard, schließlich führt seine Mannschaft die Liga nach wie vor an.

Ronaldinho wird jetzt erst mal zwei Partien pausieren, bis zum Rückspiel gegen Chelsea. Wer zuletzt lacht, lacht am besten, und das dürfte ohnehin der Brasilianer sein. Die gute Laune ist ihm noch nie vergangen. Schon kurz nach der Niederlage blitzten die Schneidezähne wieder fröhlich.