Aus der Schusslinie

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Von Kalifornien bis New York fällt den Republikanern im Wahlkampf um den Kongress vor allem ein Thema ständig auf die Füße: der Irakkrieg. Der Druck auf US-Präsident George Bush steigt, Lösungen oder wenigstens eine Alternative zu verkünden, wie es im Zweistromland weitergehen soll.

So mag es nicht ganz losgelöst von der schwindenden Zustimmung zu seiner Außenpolitik und dem wachsenden Unmut der Wähler erscheinen, dass sich am vergangenen Wochenende Bush mit Generälen und Sicherheitsberatern im Weißen Haus traf. Was genau während des Irak-Gipfels besprochen wurde, darüber gibt es keine offiziellen Mitteilungen. Der New York Times zufolge wollen die USA der irakischen Regierung konkrete Forderungen zur Verbesserung der Sicherheitslage vorgelegen.

Die Zeitung berichtet, der irakische Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki soll bis Jahresende von dem Plan unterrichtet werden. Darin vorgesehen ist eine Änderung in der US-Militärstrategie. Demnach arbeiteten General George Casey, Chef der US-Streitkräfte im Irak, und der US-Botschafter in Bagdad, Zalmay Khalilzad, an einem konkreten Stufenplan, der die irakische Regierung in ihrer Regierungsfähigkeit stärken solle. Dabei gehe es sowohl um die Entwaffnung der Aufständischen als auch um die Durchsetzung politischer und wirtschaftlicher Ziele. Ein vorzeitiger Truppenabzug werde aber nicht erwartet.

Vergangene Woche wurde durch Presseberichte bekannt, dass der frühere Außenminister James Baker an einem Bericht für die US-Regierung arbeite, in dem es um eine „Kurskorrektur“ gehe, um eine mögliche Teilung des Irak und die Option eines Militärcoups gegen al-Maliki. Die Bush-Regierung hatte eine weitergehende Bedeutung des Baker-Papiers dementiert. Das US-Militär sieht jedoch offiziell im Irak derzeit keine Alternative zum existierenden „Bagdader Sicherheitsplan“. Dieser will zunächst die Hauptstadt befrieden, Stadtviertel für Stadtviertel. Dies würde dann, so die Hoffnung, positive Signale an den Rest des Landes senden.

Am Treffen im Weißen Haus nahmen neben General Casey auch Generalstabschef Peter Pace, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der Nationale Sicherheitsberater Stephen Hadley und Vizepräsident Dick Cheney teil.

„Unser Ziel im Irak ist der Sieg“, betonte Bush dann am Samstag in seiner wöchentlichen Rundfunkansprache. Ein grundlegender Kurswechsel sei ausgeschlossen. „Was wir ändern, ist die Taktik, um dieses Ziel zu erreichen.“ Bush sagte dem US-Fernsehsender ABC zudem, dass er sich keinen Umstand vorstellen könne, unter dem es realistisch und möglich sei, die US-Streitkräfte noch während seiner Amtszeit aus dem Irak abzuziehen – trotz der katastrophalen Sicherheitslage.

Seit Anfang Oktober kamen im Irak 89 US-Soldaten ums Leben – die seit Jahresbeginn höchste Zahl amerikanischer Verluste binnen eines Monats. Die irakische Bevölkerung ist von der Gewalt noch weitaus stärker betroffen. Laut einer Statistik der Bagdader Regierung kommen jeden Tag durchschnittlich hundert Zivilpersonen ums Leben, wie aus einem Memo der Vereinten Nationen hervorgeht. Allein an diesem Wochenende sind in Bagdader Vororten erneut 50 Leichen entdeckt worden, viele von ihnen trugen Folterspuren und waren aus nächster Nähe erschossen worden.

Ungewohnt deutliche Worte für die Lage im Irak fand der diplomatische Leiter der Nahost-Abteilung im US-Außenministerium, Alberto Fernandez. Am Samstag warf er in einem Interview mit al-Dschasira seiner Regierung Arroganz und Dummheit in der Irak-Politik vor. Wenig später machte er jedoch einen Rückzieher. In einer vom Außenministerium verbreiteten Erklärung teilte er mit, bei dem Interview, das in Arabisch geführt worden war, habe er sich falsch ausgedrückt.