MATTHIAS STÜHRWOLDTGRÜNLAND
: Ackermoped und Agrarraumschiff

Wäre ich mit meinem hellblauen Landini-Trecker ins Wendland gefahren, wäre ich wohl nie angekommen. Beim Protestieren lernt man sogar scheißimperialistische Ami-Marken schätzen

In meinem Leben bin ich schon viel Trecker gefahren, seit etwa fünfundzwanzig Jahren beinahe täglich. Aber bisher immer nur in Schleswig-Holstein, noch nie in einem anderen Bundesland und schon gar nicht in der Freien Republik Wendland.

Endlich aber habe ich es nun geschafft, zur Castorjahreszeit dorthin zu reisen. Bislang hatte es immer schlechte Ausreden gegeben: das Wetter, die Arbeit auf dem Hof, das Ziepen im Kreuz – kurz: die Bequemlichkeit.

In diesem Jahr war das anders. Harry, Biobauer aus Lüchow, bat mir bei der Treckerdemo einen Platz zum Mitfahren an. Ich schaufelte mir für einen Tag die Arbeit weg, heuerte Lehrling und Exlehrling zum Stalldienst an und nutzte die gewonnene Zeit, um mit Freund Dieter ins Wendland zu fahren. Bevor es losging, holte ich mein gelbes Original-Wendland-Widerstands-X raus und band es an unsere Autobahnbrücke – mit Sicherheit das nördlichste gelbe X überhaupt, zwanzig Kilometer südlich von Kiel.

Wir waren früh unterwegs und kamen vor dem Verkehrschaos durch zum Treffpunkt der Treckerscharen. Wie viele es waren! Sogar die Landjugendlichen – altersbedingt noch ohne Führerschein – waren motorisiert; kein Rasenmähertrecker blieb im Schuppen. Die Dorfbewohner an der Strecke reichten den im Proteststau steckenden Bauern Kaffee und Käsebrote und bewunderten die landwirtschaftlichen Fahrzeuge, die zum Teil so alt waren, dass sie nur noch einmal im Jahr bewegt werden – wenn der Castor kommt. Manche Trecker – man muss es zugeben – leckten ganz schön mit Öl. Darauf angesprochen, sagte ein Bauer: „Der Castor ist ja auch nicht dicht!“ Auf der Suche nach unserem Mitfahrtrecker spazierten Dieter und ich an der Schlange vorbei und begutachteten fachmännisch das Schleppersammelsurium vom alten Ackermoped bis zum futuristischen Agrarraumschiff. Dazu brachten wir die normalen Schüttel- und Stabreime, die man als Bauernsohn einfach draufhat: „Wer Fendt fährt, führt!“ – „Claas macht Spaß!“ – „Der Renault / steht vorm Berg und jault“ oder „Same: nur für Lahme!“ Nur den hellblauen Lack eines Landini sah ich dort nicht. Damit hätte ich den Treck um einen extravaganten Farbton bereichern können; denn außer mir fährt scheinbar niemand dieses italienische Billigfabrikat. Kein Wunder, denn laut ADAC-Pannenstatistik ist dies der einzige Trecker, der mehr Zeit in der Werkstatt verbringt als auf dem Hof. Wäre ich damit ins Wendland gefahren, ich wäre nie angekommen.

Endlich fanden wir Jörg, auf dessen John Deere Dieter und ich mitfahren durften. Es ging los, wir waren guter Laune, dann sagte Jörg, er müsse mal pinkeln, und fragte mich, ob ich weiterfahren könne. Klar, sagte ich, und kletterte auf den Sitz. Noch nie zuvor hatte ich einen John Deere gefahren, aber zum Glück unterscheiden Trecker sich nicht allzu sehr. Irgendwie kriegte ich den Gang rein.

Bisher hatte ich John Deere immer für eine imperialistische Scheiß-Ami-Marke gehalten, aber er fuhr ganz normal. Sogar durchs Wendland, aus Protest.

Der Autor ist Biobauer in Schleswig-Holstein Foto: privat