„Das ist mein Bereich“

Rudolf Massak, Generalsekretär des österreichischen Radsport-Verbandes, würde Jan Ullrich eine Profilizenz geben, wenn der unter Dopingverdacht stehende Deutsche ins Alpenland zieht

INTERVIEW MARKUS VÖLKER

taz: Herr Massak, Sie wissen, warum ich anrufe?

Rudolf Massak: Es geht Ihnen ja wohl um Jan Ullrich. Aber ich spreche nur mit Ihnen, wenn Sie eine differenziertere Darstellungsweise als die Bild-Zeitung haben.

Schießen Sie los?

Naja, es war nie von einem Angebot an Jan Ullrich die Rede. Das ist absoluter Blödsinn. Die Fragestellung war: Was ist mit Ullrich, wenn er nach Österreich zieht? Da habe ich gesagt: Okay, es gibt seit 1995 ein Reglement. Je nachdem, in welchem Land der Hauptwohnsitz eines Fahrers ist, wird ihm dort die Radsportlizenz erteilt. Seine Schweizer Lizenz hat Ullrich ja niedergelegt.

Wenn Ullrich also von der Schweiz nach Österreich zöge, dann würden Sie ihm eine Lizenz ausstellen und er könnte wieder radeln.

Dann ist er zumindest in meinem Zuständigkeitsbereich. Wenn laut Reglement nichts gegen die Ausstellung einer Lizenz spricht, er also irgendwo suspendiert wurde, dann würde er sie für ein Jahr bekommen, ab 2007. Ich sag ganz ehrlich: Wenn sich von den Dopingvorwürfen nichts materialisiert, dann gäbe es keinen Grund, Ullrich die Lizenz zu verweigern. Das soll nicht als Einladung verstanden werden, aber jeder Sportler hat ein Recht auf faire Behandlung.

Ullrich ist von seinem Rennstall T-Mobile suspendiert worden, gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn und Hamburg.

Soso, Ermittlungsverfahren der deutschen Staatsanwaltschaft. Seit wann sollte das für uns ausschlaggebend sein? Es geht doch jetzt darum, ob in der Schweiz vom Verband ein sportrechtliches Verfahren gegen Ullrich eingeleitet wird.

Wird der österreichische Radsportverband bald ein Verfahren gegen den deutschen Radprofi Jörg Jaksche einleiten, der mit Austria-Lizenz fährt und ebenso unter Dopingverdacht steht?

Wir arbeiten daran. Warum ermittelt der Staatsanwalt eigentlich gegen Ullrich?

Wegen des Verdachts der falschen Versicherung an Eides statt und wegen des Verdachts auf Betrug zum Nachteil des Rennstalls T-Mobile.

Ich gehe nur danach, was ich offiziell von der UCI übermittelt bekomme, das sind Akten in Spanisch und Französisch. Von diesem 70-seitigen Dossier lasse ich derzeit eine Übersetzung anfertigen, und dann haben wir eine Basis, auf der wir ein Verfahren gegen Jaksche eröffnen oder eben nicht.

Wann wird das geschehen?

In 14 Tagen wissen wir mehr.

Warum laden Sie sich, kaum dass der eine Fall abgeschlossen ist, das nächste Problem auf: die Causa Ullrich?

Ich strebe nicht danach, dass Ullrich mit österreichischer Lizenz fährt. Aber ich würde mich ans Reglement halten, wenn er kommt. Der Peter Luttenberger ist als österreichischer Profi auch jahrelang mit monegassischer Lizenz gefahren. Die Lizenz hat eigentlich keine Bedeutung.

Der Symbolwert einer solchen Entscheidung ist nicht gering. Deswegen ist auch nicht davon auszugehen, dass Ullrich vom Bund Deutscher Radfahrer (BDR) eine Lizenz bekäme.

Wenn der BDR Ullrich die Lizenz verweigert, müsste er gute Gründe haben. Die würden mich schon sehr interessieren.

Schauen Sie mal in Ihre Akten!

Im Moment gibt es nur Anschuldigungen gegen Ullrich. Wenn sich diese erhärten, okay. Aber wenn sich diese wie bei Ivan Basso in Luft auflösen, dann muss mir eine Institution dieser Welt erklären, warum ich Ullrich keine Lizenz geben sollte.

Die Vorwürfe gegen Basso haben sich nicht in Luft aufgelöst, man hat in Italien nur keine Anklage gegen ihn erhoben.

Die Substanz hat offenkundig nicht ausgereicht. Oder würden Sie das anders sehen?

Das ist immer eine Frage des Aufklärungs- und Ermittlungswillens.

Puh (lacht). Schauen Sie: Wir sind wirklich strikt gegen Doping. Ich bekämpfe das, wo’s geht und mit allen Mitteln, nur weiß ich nicht, warum ich päpstlicher als der Papst sein soll. Ich vertraue aufs Regelwerk.

Dann muss ein neues Reglement her.

Ich persönlich halte von Ethik-Codes und Gentleman-Agreements nichts. Die sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen.

Herr Massak, Ihnen ist das Thema Doping im Radsport gewiss nicht fremd. Erst kürzlich wurden drei Ihrer Nachwuchsfahrer auffällig: Marco Oreggia wurde positiv auf Epo getestet, Markus Eibegger und Christian Ebner hatten sich Dopingkontrollen entzogen.

Wir haben Verfahren gegen die Athleten eingeleitet.

Haben Sie diese Fälle ausgerechnet vor der Rad-WM in Salzburg alarmiert?

Ich war erschüttert. Aber alle Maßnahmen, die wir setzen, können das Problem Doping nicht lösen. Wir leiden im Kampf gegen Antidoping vor allem unter den immensen Kosten.

Bei Dopingkontrollen?

Ja, eine normale Kontrolle kostet den Verband 450 Euro, eine komplette mit Epo-Test ungefähr 1.000 Euro. Bei 100 Kaderathleten sind das 100.000 Euro – wenn ich den Sportler einmal im Jahr testen will.

Was wäre die Lösung?

Es muss in den Köpfen der jungen Sportler etwas passieren. Doping muss geächtet werden wie das Rauchen. So könnte es besser werden.

Wirklich? Doping ist seit Jahrzehnten geächtet, trotzdem treibt es die Szene bunt.

Da haben Sie Recht. Selbst UCI-Präsident Pat McQuaid spricht von einer Kultur des Dopings im Radsport.

Gehört Jan Ullrich dazu?

Das werden wir erst sehen.