Verwirrung an der Frischfischtheke

Überfischung und umweltschädliche Zuchtmethoden machen es den Verbrauchern schwer, ökologisch unbedenklichen Fisch zu kaufen. Selbst die Umweltschützer sind sich trotz eines Siegels nicht immer einig, welche Kaufempfehlungen sie geben sollen

VON ELISABETH SCHERER

Wer Kabeljau aus dem „Nordostatlantik“ auf dem Teller hat, muss nicht zwingend ein Umweltsünder sein. Unter diese Region fallen die völlig überfischten Nordseebestände, aber auch Fische aus dem Meer vor Island und aus der Barentssee, die derzeit nicht bedroht sind. Fischliebhaber haben jedoch keine Chance herauszufinden, aus welchem Bestand der Kabeljau aus dem Tiefkühlregal oder auf dem Fischmarkt stammt. Denn die Industrie zeichnet ihre Produkte nicht genauer aus, als es der Gesetzgeber verlangt – obwohl sie die Möglichkeit dazu hätte.

Die Fischproduzenten geben sich unwissend und versprechen Besserung. Ein Sprecher der größten deutschen Fischmanufaktur, der „Deutschen See“, erklärte auf Anfrage der taz, dass sich das Unternehmen künftig für mehr Offenheit bei der Herkunft einsetzen wolle. „Da müssen wir uns auch einmal an die eigene Nase fassen.“

Noch macht es die mangelnde Auszeichnung den Umweltorganisationen schwer, Kaufempfehlungen zu geben. „Wir haben in unserem Fischführer daher von Kabeljau ganz abgeraten“, erklärt Heike Vesper, Fischereireferentin bei WWF Deutschland. Auch Greenpeace stuft Kabeljau als „katastrophal“ ein. Nicht auf den Tisch gehören außerdem Rotbarsch, Heilbutt, Scholle, Seezunge, Hai und Shrimps. Der Trendfisch Pangasius, Tunfisch, Miesmuscheln und Alaska-Seelachs werden als „kritisch“ oder „bedenklich“ eingestuft.

Uneins sind sich WWF und Greenpeace darüber, welche Fische zum Verzehr empfohlen werden können. Der WWF unterstützt die Zertifizierung durch das Marine Stewardship Council (MSC) – das bisher einzige weltweite Label, das die Kriterien der Welternährungsorganisation FAO erfüllt. Greenpeace sieht MSC aber kritisch: „Das Siegel erlaubt auch Fischerei mit Grundschleppnetzen“, sagt die Meeresexpertin Stefanie Werner.

Die Kontroverse um das MSC-Siegel schlägt sich auch in den Einkaufstipps nieder. Während der WWF zum Beispiel MSC-Seehecht als „gute Wahl“ einstuft, fällt Seehecht bei Greenpeace generell unter die Kategorie „katastrophal“. Wer ganz sicher gehen will, muss sich stark beschränken: „Aus Wildbestand kann ich nur Hering aus der Nordsee und Seelachs aus dem Nordatlantik empfehlen“, erklärt Dietrich Schnack, Direktor der Fischereibiologie am Institut für Meereskunde Kiel. „Bei allen anderen Fischarten muss man grundsätzlich davon ausgehen, dass sie überfischt sind.“ Das MSC-Siegel hält Schnack trotz Mängeln für einen wichtigen Anfang.

Eine Alternative sind Süßwasser-Zuchtfische wie Karpfen oder Forellen. Diese gibt es mit Siegeln anerkannter Bioverbände wie „Naturland“, „Demeter“ oder „Bioland“. Der als Delikatesse geltende Flussaal allerdings sollte tabu sein: Er ist sogar vom Aussterben bedroht.