Früh übt sich, wer ins Showbiz will

Die Kölner Schauspielschule TASK hat sich auf die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen spezialisiert. Denn der Bedarf an Nachwuchsmimen in Film und Fernsehen steigt. Aber der Ehrgeiz der Eltern allein reicht nicht für die Glamourkarriere

VON LUTZ DEBUS

Die 16-jährige Martina atmet schwer. Ihre Arme streckt sie weit von sich in die Höhe. Die Hände umgreifen etwas. Dann wird sie laut: „Mama, da sind Gitter vor meinem Zimmerfenster!“ Verzweifelt bricht sie in sich zusammen. Wilder Applaus schließt sich der Szene an. Zwanzig Kinder und Jugendliche sind begeistert von der schauspielerischen Leistung ihrer Mitbewerberin. Die 17 Mädchen und drei Jungs im Alter von acht bis 18 Jahren sind schon zum zweiten Mal zum „Talenttag“ in die Räume der TASK-Schauspielschule in der Kölner Südstadt gekommen. Am Tag zuvor haben sie sich bereits unter etwa 60 Bewerberinnen qualifiziert. Und nun geben die zumeist bauchfrei gekleideten Mädchen und rappig gestylten Jungs ihr Bestes. Die Talentiertesten erhalten nämlich ein Stipendium.

Die Anwesenden sparen nicht mit Kritik, wenn ein Patzer zu offensichtlich ist: „Du hast pantomimisch die Tür geöffnet und die Klinke dann ein paar Meter mit ins Zimmer genommen.“ Schulleiterin Hella Peperkorn, die bei dem Vorspiel die Aufgaben stellt und auch die anschließende Diskussion moderiert, erklärt den Jungschauspielern Elementares. „Ihr dürft auf der Bühne alles behaupten, ihr müsst dabei aber glaubwürdig bleiben.“ Um das Gesagte zu beweisen, tastet sich die erfahrene Theaterregisseurin an einer imaginären Glasscheibe entlang. „Nur eine Bewegung“, mit einem Arm greift sie nach vorn, „ und die Illusion ist zerstört.“ Die 41-jährige hat schon viel mit schauspielenden Kindern erlebt. Als Coach begleitete sie jugendliche Darsteller. Erwachsene müssen ihre Rollen selbst lernen. Kinder bekommen eine Trainerin zur Seite gestellt. Nun, als Schauspiellehrerin, erkennt Hella Peperkorn noch weitere Potenziale ihres Fachgebietes. Es gehe, sagt sie, nicht in erster Linie darum, aus Kindern gute Mimen zu machen. Der Unterricht bei TASK vermittle manchem Kreativität, emotionale Ausdrucksmöglichkeiten und neues Selbstbewusstsein. Fernab der Zwänge der Regelschule könne außerdem kooperatives Verhalten, das auf der Bühne unerlässlich ist, erlernt werden.

Dies allerdings war, als Michaela Trischler, die Gründerin der TASK-Schauspielschule, vor neun Jahren begann, zweitrangig. In den 1990er Jahren war sie als Aufnahmeleiterin für das Wohlbefinden der Kinder am Dreh verantwortlich. Dabei machte sie die Beobachtung, dass es erhebliche Unterschiede bei den kleinen Schauspielern gab. Manche konnten recht gut mit dem Stress umgehen, andere weniger. Besonders diejenigen, die von ihren Eltern zu dieser Profession gedrängt wurden, waren ihrer Aufgabe oft nicht gewachsen. Kinder von Leuten aus dem Show-Business wiederum, die solch einen Trubel gut kennen, arbeiteten viel routinierter. So kam Michaela Trischler auf die Idee, eine spezielle Ausbildung für Kinder zu konzipieren.

Neben dem konkreten Schauspieltraining sollen die Kinder in die Film- und Fernsehwelt hineinschnuppern und so besser vor Enttäuschungen bewahrt werden. Denn wenn es sich erst mitten in den Dreharbeiten heraus stellt, dass das Kind nicht mehr will oder kann, ist der Sturz aus der Hollywood-Traumwelt viel tiefer als im Rahmen einer Ausbildung oder wie hier nun in Köln bei einer Vorauswahl.

Neben der Schauspielschule betreibt TASK inzwischen auch eine Agentur. Nach der Schule kann ein Teil der Kinder also gleich weitervermittelt werden. Die Nachfrage ist groß. Mehrere Fernsehkanäle strahlen täglich ein Programm speziell für Kinder aus. Auch im Kino ist der Marktanteil von Kinder- und Jugendfilmen gewachsen. Die Agentur hat sogar schon einen Absolventen ins internationale Filmgeschäft vermittelt. Der 17-jährige Philip Wiegratz hat an der Seite von Jonny Depp in „Charly und die Schokoladenfabrik“ den fetten und gefräßigen Augustus Glupsch gespielt.

Aber auch in manch schockigem Thriller gibt es Kinder als Darsteller. Es komme schon einmal vor, so Michaela Trischler, dass ihre Darsteller in einem Film mitwirken, den sie laut Altersfreigabe noch gar nicht sehen dürfen. Dann werden ihnen nur die sie betreffenden Ausschnitte gezeigt.

Die zwanzig KandidatInnen im Kölner Süden haben nach sechs anstrengenden Stunden ihr Vorspiel fast beendet. Eine Mutter wartet schon ganz aufgeregt auf ihre 12-jährige Tochter. „Anja geht zu einer renommierten Ballettschule nach Stuttgart.“ Dafür lebt sie in einem Internat, fährt nur am Wochenende nach Hause. Und wenn es mit dem Ballett nicht klappen sollte, so die Mutter, könne sie mit einer guten Schauspielausbildung ja noch in einem Musical mitmachen. Das sei aber nur der „Plan B“. Nein, sie habe ihre Tochter zu diesem Weg nie gedrängt, beteuert die Mutter. Mit drei Jahren sei das Mädchen bereits nicht davon abzuhalten gewesen, ständig zu tanzen. „So etwas muss man doch fördern.“ Das Ergebnis des Castings aber erhält auch die ungeduldige Mutter erst in ein paar Tagen.

Manchmal, so Michaela Trischler, wolle ein Elternteil das Kind zur Schauspielerei überreden. Das merken die Dozenten der Schule aber recht schnell. Kinder sind dann unmotiviert, wenig belastbar, sprechen oft auch offen über die Träume der Eltern. So kommt von der Schule an die Eltern schon Mal der Rat, sich selbst in einen Kurs anzumelden, statt die eigenen Kinder dazu zu drängen.