Traumberuf Vater

Immer mehr Männer sehen ihre Vaterrolle gleichberechtigt neben ihrem Beruf. In Unternehmen stößt das auf wenig Resonanz. Nicht selten werden Väter am Arbeitsplatz gemobbt – sogar von Frauen

Kevin (3) ist krank und kann nicht in den Kindergarten, seine Mutter will ihre PC-Schulung nicht versäumen. Daheim bleibt der Mann. „Ich bin nicht Vater geworden, um mich jedes Mal wegzuducken, wenn mich die Familie braucht“, sagt der 38-Jährige aus Köln. Zunehmend viele Männer gehen ihre Vaterrolle engagiert an, wollen keine Statistenrolle oder nur den Ernährer spielen, sagt Väterforscher Martin Verlinden. „Immer mehr Männer überprüfen ihre Rolle und stellen sich bewusst die Frage nach der Balance zwischen Beruf und Familie.“ Die „Machos“ seien auf dem Rückzug.

Der Psychologe der Kölner Fachhochschule sieht einen deutlichen Wandel vor allem bei jüngeren Männern: „Es wächst die Zahl derer, die Beruf und Erfolg als gleichwertig ansehen mit Familie und Kindern und die merken, dass ihre Lebensqualität deutlich steigt“, sagt Verlinden. Die Väterrolle werde zugleich vielfältiger: „Wir treffen auf Väter, die sich sehr für ihre nicht-leiblichen Kinder einsetzten, auf nicht-verheiratete Männer mit Kindern oder getrennt lebende Männer, die weiter auf die Erziehung einwirken möchten.“

Rund 20 Prozent der Männer gehören einer repräsentativen Studie zufolge dem „modernen“ Typ an, sind erwerbsorientiert, aber auch aktiv als Vater, erklärt Rainer Volz, Leiter der Männerarbeit der Evangelischen Kirche im Rheinland. Weitere 20 Prozent sehen den Sinn des Lebens als „traditioneller“ Typ voll in der Erwerbsarbeit. Hinzu kommen knapp 25 Prozent, die als „Pragmatiker“ ihre Rolle je nach Situation wählen. „Die übrigen sind die noch formbaren Sucher“, erklärt der Düsseldorfer Sozialwissenschaftler.

Volz hatte 1998 nach einer Befragung von 1.200 Männern und 800 Frauen eine Studie vorgelegt. Es habe sich gezeigt, dass Bilder wie der Karrieremann oder Machtmann längst nicht mehr Leitbilder für alle Männer seien. Im Durchschnitt wenden Männer im Rahmen ihrer Haus- und Familienzeit rund eine Stunde für ihren Nachwuchs auf. Leben sie mit Kindern unter drei Jahren zusammen, erhöht sich der Einsatz deutlich.

Für die Entwicklung des Kindes sei der Vater wichtig, betont Martin Verlinden. „Männer gehen ganz anders mit dem Kind um, sie lassen es stärker in Bewegungsspiele eintreten und fördern es körperlich viel stärker.“ Eine zweite Bezugsperson gebe dem Nachwuchs eine andere Resonanz und fördere damit dessen soziale Intelligenz. „Kinder, die von einem aktiven Vater groß gezogen wurden, haben später stabilere Partnerschaften und werden selbst aktive Väter.“

Viel zu tun sei noch in den Betrieben: „Der kinderlose Yuppie gilt in Deutschland als Mitarbeiter genauso viel wie der Vater mit drei Kindern“, kritisiert Verlinden. Einfühlungsvermögen in das Kind als dem Schwächeren sei auch im Job ein „enormer Vorteil“. Die schwedische Polizei stelle bevorzugt Männer ein, die Elternzeit genommen haben. Auch Volz spricht von „erheblichen Hindernissen“ für Väter im beruflichen Alltag: „Väter werden durchaus gemobbt am Arbeitsplatz, erstaunlicherweise selbst von Frauen.“

In Deutschland nehmen derzeit nur fünf Prozent der Väter Elternzeit. Ingenieur Thomas, Vater von zwei Kleinkindern, erklärt das Dilemma: „Für mich ist die Familie das Wichtigste, aber Erziehungsurlaub kommt nicht in Frage. Ich werde schon schief angeguckt, wenn ich abends mal pünktlich Schluss machen will.“ YURIKO WAHL, DPA