Verschleppter Fall

Erst elf Jahre nach der Ermordung eines französischen Richters in Dschibuti gibt es in Frankreich erste Haftbefehle

Die Justiz soll endlich Zugang zu militärischen Geheimdokumenten bekommen

PARIS taz ■ Elf Jahre nachdem die verkohlte Leiche des französischen Richters Bernard Borrel am Fuße eines Felshanges bei Dschibuti gefunden wurde, bittet seine Witwe jetzt den französischen Staatspräsidenten in einem Mitte dieser Woche übergebenen Brief um Hilfe. 170 Personen des öffentlichen Lebens, darunter drei Exregierungschefs, 90 Parlamentsabgeordnete sowie MenschenrechtlerInnen und dschibutische Oppositionelle unterstützen Elisabeth Borrel. Unter der Überschrift „Wahrheit über den Mord an Richter Borrel“ verlangen sie, dass die – von Justiz und Politik verschleppten – Ermittlungen vorankommen. Sie fordern außerdem, dass die immer noch unter Verschluss befindlichen „militärischen Geheimdokumente“ der Justiz zugänglich gemacht werden.

Einige Signale lassen die Witwe ein wenig hoffen: So hat am 19. Oktober, dem elften Todestag von Borrel, eine Untersuchungsrichterin in Paris – gegen den Widerstand der Generalstaatsanwaltschaft – zwei internationale Haftbefehle unterzeichnet. Sie richten sich gegen den dschibutischen Geheimdienstchef sowie gegen den dschibutischen Generalstaatsanwalt. Die Untersuchungsrichterin will die DNA der beiden Männer mit den genetischen Fingerabdrücken vergleichen, die auf den Shorts des toten Borrell gefunden wurden.

Einen Tag nach der Ausstellung der Haftbefehle wurde die Witwe erstmals von einem französischen Regierungsmitglied empfangen. Außenminister Philippe Douste-Blazy versicherte ihr, dass „alles Nötige unternommen werde“, um der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen.

Doch nur zwei Tage nach dem Treffen mit der Witwe und den beiden Söhnen des Toten sorgte derselbe französische Minister erneut für Verwirrung. In einem Interview erklärte Douste-Blazy, es sei unklar, ob der Richter sich selbst umgebracht habe oder ermordet worden sei. Dabei lassen neue, in Frankreich durchgeführte Autopsien seit Jahren keine Zweifel mehr daran, dass der Richter einem Mord zum Opfer gefallen ist.

Verwirrspiele begleiten den Fall Borrell von Anfang an. Der 40-jährige brillante Jurist war wenige Monate vor seinem Tod von der französischen Regierung als Berater an die Seite des dschibutischen Justizministers entsandt worden. Er sollte ein Gesetzbuch für Dschibuti schreiben. Sofort nach dem Fund der Leiche des Richters an einem 70 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Felsen schickte die französische Vertretung in Dschibuti eine Depesche nach Paris, die informierte, er habe „Selbstmord“ begangen. Später kamen Gerüchte in Umlauf, wonach der Richter „pädophil“ gewesen sei. Medizinische Dokumente über eine Autopsie gingen zwischen Dschibuti und Paris „verloren“. Die politischen Beziehungen zwischen Paris und Dschibuti, Frankreichs wichtigster Militärbasis in Ostafrika, blieben unverändert eng.

Elisabeth Borrel, selbst Richterin, ließ sich nicht einschüchtern. Kurz vor dem Todestag ihres Mannes hat sie jetzt ein Buch veröffentlicht: „Un juge assassiné“ – „Ein ermordeter Richter“. Nach ihrem Schreiben an Präsident Chirac hofft sie, dass Paris sich endlich angemessen um den Fall des ermordeten Richters kümmert. DOROTHEA HAHN