Weißbuch mit Flecken

aus Berlin DOMINIK SCHOTTNER

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hat gestern in Berlin das neue „Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“ vorgestellt. Zuvor hatte das Kabinett das 133 Seiten umfassende Werk abgesegnet. Der Bundestag muss über das Papier nicht abstimmen. Das Verteidigungsministerium skizziert darin die Vorstellung einer grundsätzlichen Linie für die Sicherheitspolitik Deutschlands. Zuletzt war das vor zwölf Jahren geschehen, damals noch unter Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU).

Die Kernaussagen des Jung’schen Buches beziehen sich auf die Einsätze der Bundeswehr im In- und Ausland. So plant die Regierung eine Änderung des Grundgesetzes, damit die Bundeswehr, etwa im Falle eines terroristischen Angriffs auf ein Ziel im Inland, über das bislang erlaubte Maß hinaus eingreifen – konkreter: mit militärischen Mitteln – reagieren darf. In den Passagen zum Engagement der Bundeswehr im Ausland nennt die Regierung erstmals Interessen wie den Zugang zu Rohstoffen und den Schutz der Handelswege als Grund für die Entsendung deutscher SoldatInnen.

Die „Notwendigkeit einer Erweiterung des verfassungsrechtlichen Rahmens für den Einsatz der Streitkräfte“ (Weißbuch für „Grundgesetzänderung“) hatte bereits vor der Fußballweltmeisterschaft eine hitzige Debatte ausgelöst. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) befeuerte damals die Diskussion mit der Forderung, die Bundeswehr könne ja, nach der entsprechenden Verfassungsänderung, Aufgaben der Polizei wie den Gebäudeschutz übernehmen, falls diese überlastet sei. Das Weißbuch bremst Schäuble nun in diesem Punkt aus: Die „Abwehr terroristischer und anderer asymmetrischer Bedrohungen“ sei in Deutschland „vorrangig Aufgabe der für die innere Sicherheit zuständigen Behörden von Bund und Ländern“. Die Bundeswehr könne jedoch zur Unterstützung dieser Behörden „mit den von ihr bereitgehaltenen Kräften und Mitteln zum Einsatz kommen, wenn nur mit ihrer Hilfe eine derartige Lage bewältigt werden kann“. Das heißt: Panzer und Bomber bleiben unter Kontrolle der Bundeswehr und werden nicht zur Verbrecherjagd in Bayern eingesetzt – außer beispielsweise, wenn die Verbrecher Terroristen sind und die Sicherheit des Oktoberfests gefährden.

Die Regierungsfraktionen sind sich dem Vernehmen nach über die Präzisierung des entsprechenden Grundgesetzartikels bereits einig. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) lehnt dies allerdings ab. Eine generelle Ermächtigung zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren sei nicht geplant, sagte sie. Birgit Homburger, sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, sagte: „Deutschland braucht nicht die Bundeswehr als Hilfspolizei, sondern eine besser ausgestattete Polizei.“

In Sachen Auslandseinsätze bleibt das Weißbuch weitgehend vage. Und das, obwohl es ausführlich den Willen zu Einsätzen im Rahmen internationaler Missionen bekräftigt und diese erläutert. Die Einbindung in Organisationen wie die Nato wird ebenfalls ausgiebig gelobt. Eine konkrete „Checkliste von eins bis zehn“, anhand deren über die Entsendung deutscher SoldatInnen ins Ausland entschieden werden kann, liefere das Papier aber bewusst nicht, sagte Jung gestern. Vor jeder Entsendung müsse geprüft werden, ob sie im nationalen Interesse sei. Und das kann „im Zeitalter der Globalisierung nicht allein geografisch definiert werden.“