Leichte Kost mit starken Gewürzen

LEBENSART Die von der Unesco zum Weltkulturerbe ernannte mediterrane Küche lebt von den einfachen Zutaten – und von der Geselligkeit

Nach Definition der Unesco-Konvention umfasst das immaterielle Kulturerbe „Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten – sowie die dazu gehörigen Instrumente, Objekte, Artefakte und kulturellen Räume […], die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen“.

Unter Schutz stehen beispielsweise seit 2009 der argentinische Tango oder das 2012 traditionelle Weben des Toquilla-Strohhutes in Ecuador.

Das Deutsche Bäckerhandwerk bemüht sich derzeit darum, dass auch die deutsche Brotkultur in die Liste aufgenommen wird.  DAH

VON DARIJANA HAHN

Für einen kleinen Augenblick muss José Jiménez überlegen. Was das Typische an mediterraner Küche sei? Die Frage scheint dem Betreiber des mediterranen Restaurants „Matahambre“ in Hamburg-Eimsbüttel erstmal zu komplex, doch dann fällt ihm eine einfache Antwort ein. „Oliven, Knoblauch und starke Gewürze“, sagt er und fügt bestätigend hinzu: „Hundert Pro!“

Es sind diese kleinen Zutaten, die die mediterrane Küche in ihrer breiten und internationalen Vielfalt zum unverwechselbaren Genuss machen. Schon eine arabische Weisheit besagt, dass sich die mediterrane Küche so weit erstrecke, wie die Olive gedeihe. Bis heute gilt die Olivenvegetation als Indikator für Mittelmeerklima. Und das zeichnet sich durch Jahrestemperaturen zwischen 15 und 20 Grad Celsius aus, sowie durch die gewisse Niederschlagsmenge von mindestens 200 Milliliter im Jahr bis maximal 500 Milliliter. Dieses nicht nur für den Olivenbaum förderliche Klima reicht von Lissabon bis Jerusalem sowie von Triest bis Bengasi, vereint über zwanzig Länder und umfasst ein Gebiet von 1,3 Millionen Quadratkilometern Größe rund um das Mittelmeer.

Vorspeisen aus eingelegtem Gemüse

Gemeinsam mit der Olive gedeihen in diesem Klima die unverwechselbaren, stark aromatischen Kräuter der mediterranen Küche wie Salbei, Rosmarin, Thymian und Oregano. Und es wachsen die ebenso charakteristischen mediterranen Gemüsearten wie Aubergine, Zucchini, Fenchel, Paprika und Tomate. Allein aus diesen Produkten lässt sich eine Vielzahl typischer Gerichte zubereiten. Sei es in Form von einfachen, eingelegten kalten Vorspeisehäppchen wie sie in den arabischen Mezze, spanischen Tapas oder italienischen Antipasti vorkommen. Oder sei es in Form von gedünstetem, gefülltem und überbackenem Gemüse.

Alles, was das Meer zu bieten hat

Hinzu kommt schließlich noch all das, was das 2,5 Millionen Quadratkilometer große Mittelmeer selbst zu bieten hat: Fisch und Meeresfrüchte in allen Varianten bereichern die Speisekarten der mediterranen Küchen mit regionalen Schwerpunkten. Die überbackenen Tintenfischringe reichen mehr nach Griechenland, das Risotto mit Muscheln gehört nach Italien, und die Krustentiere sind untrennbar mit Spaniens Paella verbunden. Die aus mindestens sieben verschiedenen Fischen zubereitete Suppe Bouillabaisse wiederum ist eine französische Spezialität aus Marseille.

Serviert wird das Essen rund ums Mittelmeer niemals ohne Brot, ob Fladenbrot, Ciabatta oder Baguette, meist in Gesellschaft mit einem Dipp aus Hülsenfrüchten oder der unentbehrlichen Knoblauchcreme Allioli.

Was einem das Wasser im Munde zerlaufen und an exquisite Küche denken lässt, galt lange Zeit eher als Armenkost fürs einfache Volk. Das hat eben das zubereitet, was die Natur zu bieten hatte: Gemüse, Kräuter, Fisch – und kaum Fleisch. Die mediterrane Küche lebt bis heute davon, dass nur das frisch verarbeitet wird, was grade zu ernten ist. Als Nachtisch gibt es entsprechend weniger Mousse au Chocolat als vielmehr frisches, sonnengereiftes Obst wie Feigen und Melonen.

Die zu den verschiedensten Brotsorten gereichte Knoblauchcreme besteht im Wesentlichen aus Knoblauch, Olivenöl und Salz.

■ Zur Herstellung benötigt man das für die mediterrane Küche unersetzliche Gerät des Mörsers und Stößels sowie viel Fingerspitzengefühl. Denn zu dem im Mörser zerkleinerten Knoblauch darf nur so viel Öl in einer solchen Weise hinzugegeben werden, dass sich die Emulsion gut verbindet und nicht gerinnt.

■ Es gib diverse Varianten, bei denen etwa Ei, gekochte Kartoffeln oder Milch als Bindemittel hinzugenommen werden.  DAH

Doch auch in den Mittelmeerregionen hat sich inzwischen ein Wandel eingestellt dahingehend, dass immer mehr im Supermarkt Produkte gekauft werden, die nicht mehr aus der Umgebung stammen. Grund genug für die damalige spanische Landwirtschaftsministerin Elena Espinosa, 2007 die mediterrane Küche von der Unesco als Weltkulturerbe unter Schutz stellen zu lassen. Dabei geht es nicht alleine um das fertige Essen als solches und dessen in vielen Studien nachgewiesenen positiven Effekten für die Gesundheit. Vielmehr geht es der Unesco-Kommission mit ihrer 2010 vollzogenen Unterschutzstellung darum, zu zeigen, dass die mediterrane, vitaminreiche Küche mehr ist als die Summe ihrer Zutaten.

Unter Schutz steht eine ganze Kultur

Als schützenswert gilt die gesamte Kultur, sei es der Anbau und die Verarbeitung der Lebensmittel, sei es die Kunst des Fischens, sei es die ansprechende Darreichung des Essens bis hin zum Essen selbst, das erst dann richtig mediterran ist, wenn der Genuss in geselliger Runde von Familie und Freunden geschieht. Und, nicht zu vergessen, wenn dabei noch mit dem entsprechenden Wein, von Bourdeaux über Chianti zum Rioja, angestoßen wird.

So verwundert es nicht, dass die Unesco weniger beschreibt, aus welchen Bestandteilen genau sich die mediterrane Küche zusammensetzt, sondern dass das soziale Moment hervorgehoben wird. Die mediterrane Küche als Ausdruck für Gemeinschaftssinn, Gastfreundschaft und regionale Identität.