Generation Petition demonstriert nicht

Weil ihr ein heißer Herbst nicht gelingt, versucht die Generation Praktikum ihr Glück mit Petitionen beim Bundestag. Praktika sollen begrenzt sein, angemessen bezahlt und keine regulären Stellen ersetzen. Arbeitsminister wartet Studie ab

AUS BERLIN ANNEGRET NILL

Die Aktivisten der Generation Praktikum haben eine neue Strategie. Statt eines heißen Herbstes mit Aktionen auf der Straße gehen sie nun den Marsch durch die Institutionen – sie betreiben Lobbyarbeit bei Abgeordneten des Bundestags. „Beim Praktikanten-Aktionstag haben wir ja gemerkt, dass die Praktikanten hier nicht so auf die Straße gehen wie in Frankreich“, erläutert Silvia Helbig von der DGB-Jugend den Strategiewechsel. Daher haben die Praktikantenorganisation Fairwork und die DGB-Jugend eine Petition an den Bundestag gerichtet. Sie geht kommende Woche beim Petitionsausschuss online und kann auch unterzeichnet werden (e-petitionen.bundestag.de).

Die Forderungen der Generation Praktikum sehen so aus: Praktika und ähnliche Lernverhältnisse sollen per Gesetz eindeutig von Arbeitsverhältnissen abgegrenzt werden, damit sie keine regulären Stellen ersetzen. Praktika sollen auf drei Monate begrenzt und mit mindestens 300 Euro pro Monat vergütet werden. Außerdem wird gefordert, dass Volontariate und ähnliche Berufseinstiegsprogramme mit mindestens 7,50 Euro pro Stunde vergütet werden sollen – damit knüpft die Petition an die aktuellen Mindestlohnforderungen der Gewerkschaften an.

Die aktuelle Petition baut auf den Erfolg einer früheren Petition auf. Mit über 45.000 Unterzeichnern fand die Petition so viel Unterstützung wie keine andere zuvor. Davon hatten sich auch die Gesetzgeber beeindruckt gezeigt. Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) kündigte im September an, sich um die Praktikantenthematik zu kümmern. Zunächst allerdings wartet er noch auf eine Studie des Hochschulinformationssystems (HIS). Sie soll im Frühjahr 2007 zeigen, welche Praktikumserfahrungen Hochschulabsolventen des Jahres 2005 gemacht haben. Müntefering ist nicht sicher, ob die Generation Praktikum nicht doch nur ein Medienhype ist. Vielleicht kann er diese Sicherheit auch schon etwas früher haben: Ende des Jahres sollen die Ergebnisse einer repräsentativen Studie des DGB zum Thema vorgestellt werden.

Die Grünen sind bereits weiter als der Arbeitsminister. Sie erkennen die Realität der Generation Praktikum an und verweisen auf Folgen wie schleichende Dequalifizierung, finanzielle Abhängigkeit und aufgeschobene Familienplanung. Sie wollen die Praktikumsdauer auf maximal vier Monate begrenzen. Zudem wünschen sie sich verpflichtende „Aufwandsentschädigung“ für die Praktikanten, Rechte wie Urlaubstage und feste Praktikumsverträge. Außerdem sollen Praktika Ausbildungscharakter haben und keinen Arbeitsplatz ersetzen. Und um mit gutem Beispiel voranzugehen, verpflichtete sich die Grünen-Fraktion, diese Standards selbst einzuhalten.

Missbrauch bei Medien

Mittlerweile wenden sich auch Vertreter der Medienbranche gegen den Missbrauch von Praktikumsverhältnissen in den eigenen Reihen. Der Berliner IHK-Ausschuss Medien und Kommunikation hat gemeinsam mit Unternehmensvertretern Qualitätsstandards für Praktika in der Medienbranche erarbeitet, die von fachlich qualifizierter Betreuung der Praktikanten bis zu geregelten Arbeitszeiten reichen. Einerseits soll so Missbrauch verhindert werden. Andererseits sollen aber auch Agenturen vor späten Gerichtsklagen geschützt werden. Auch der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, Wolf-Dieter Ring fordert: „Praktikanten sollen vor allem etwas lernen und nicht dauerhaft Festangestellte ersetzen.“ Mehr Praktikumsplätze müssten in Ausbildungsverhältnisse umgewandelt werden – anstatt immer weiter Ausbildungsplätze durch Praktika zu ersetzen wie in den letzten Jahren üblich.