Fluggesellschaften ignorieren oft die Rechte ihrer Kunden

VERBRAUCHER Gestrandeten Passagieren stehen Hilfen zu. Aber viele Unternehmen halten sich nicht daran

BERLIN taz | Torsten Feuerstein hat eine Odyssee hinter sich. Am Donnerstag, den 24. Juni dieses Jahres wollte er mit der Billigfluggesellschaft Easyjet von Madrid nach Hause fliegen. Sein Pech: Der Flug wurde annulliert, das Unternehmen bot ihm einen Rückflug am darauffolgenden Sonntag an – oder 250 Euro Entschädigung. Da Feuerstein wichtige Termine hatte, bezahlte er aus eigener Tasche einen raschen Rückflug bei der Konkurrenz – aber auf die 250 Euro wartet er noch heute. Sein Ärger mit der Fluggesellschaft ist kein Einzelfall – und das, obwohl den Verbrauchern seit 2004 aufgrund einer EU-Verordnung umfassende Rechte auf Betreuung, Verpflegung und Entschädigungen zustehen, wenn Flugzeuge nicht oder verspätet fliegen.

„Im Luftverkehr gibt es eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Rechtslage und der Rechtswirklichkeit“, kritisierte gestern der Vorsitzende der Berliner Verbraucherzentrale, Jürgen Keßler. Wenn Betroffene ihre Rechte einforderten, erhielten sie – wenn überhaupt – hinhaltende Briefe; häufig werde dabei mit Taschenspielertricks gearbeitet.

Dies hat auch eine Internetbefragung der Verbraucherzentralen ergeben, an der sich mehr als 1.100 Fluggäste beteiligten. Die Umfrage sei zwar nicht repräsentativ, bestätige aber die Erfahrungen in den Beratungsstellen der Verbraucherzentralen, hieß es. Das Ergebnis: Nur jedem vierten von Flugausfällen und Verspätungen Betroffenen wurde eine Entschädigung angeboten, und das überwiegend erst auf Nachfrage. Und: Mehr als ein Fünftel der späteren schriftlichen Beschwerden von Verbrauchern beantworteten die Fluggesellschaften nicht; nur in 3 Prozent der Fälle wurde reibungslos entschädigt.

Die Verbraucherzentralen fordern nun die Einrichtung einer unabhängigen Schlichtungsstelle, an die sich Betroffene wenden können. Zudem soll das Luftfahrtbundesamt abschreckende Sanktionen über Fluggesellschaften verhängen, die gegen die EU-Verordnung verstoßen.

Die Branche wehrte sich gegen die Vorwürfe. Im repräsentativen EU-Verbraucherbarometer sei die Luftfahrtbranche, was Verbraucherzufriedenheit angeht, der beste Verkehrssektor, so der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften.

Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn ließ das nicht gelten. Von Flugausfällen waren im letzten Jahr rund eine Million Passagiere betroffen. Viele Fluglinien ließen ihre Kunden im Regen stehen. „Wir brauchen eine Änderung der Gesetze, dass Fluggäste direkt am Flughafen entschädigt werden.“ RICHARD ROTHER