„Held oder armes Würstchen“

INTEGRATION Ulrike Backofen forscht darüber, wie blinde Menschen in den Medien dargestellt werden

■ 55, ist als Sozialpädagogin im Blinden- und Sehbehindertenverein angestellt. In der Bibliothek arbeitete sie 25 Jahre lang.

taz: Frau Backofen, was hat sich seit der Vereinsgründung des Blinden- und Sehbehindertenvereins Hamburg e.V. für Blinde geändert?

Ulrike Backofen: Zuerst einmal konnten wir einiges an Anerkennung für Blinde und Sehbehinderte schaffen. Unser Verein ist seit seiner Gründung 1909 stark gewachsen. Nach den anfänglichen Anerkennungskämpfen ging es später mehr um Integration. Heute haben wir viel erreicht. Jedoch kann noch mehr getan werden.

Zum Beispiel?

Wir müssen weiterhin um die Gleichstellung im Straßenverkehr besorgt sein. Es gibt zwar schon einige ton-unterstützte Ampelanlagen in Hamburg, aber das Angebot ist ausbaufähig.

Werden Bücher in Blindenschrift noch gelesen oder nutzen blinde Menschen lieber Hörbücher?

Natürlich ist das Hören für blinde Menschen sehr wichtig. Aber die Blindenschrift wird nicht aussterben, die gibt es immer noch. Wissen Sie, diese Schrift hat vieles verändert. Wenn man lesen und schreiben kann, ist man seit jeher klar im Vorteil. Weil sie so wichtig ist, wurde der Verein auch 100 Jahre nach Erfindung der Braille-Schrift, nach ihrem Erfinder Louis Braille benannt.

Blinde Menschen sind ja auch im Internet unterwegs – wie geht das?

Ein kleines Gerät, das an den Computer angeschlossen ist, liest die Inhalte auf den Internetseiten vor. Die Tastatur ist ganz normal, ohne Punkte darauf. Ich beschäftige mich aber eher weniger damit, wie blinde Menschen mit Medien umgehen, sondern eher damit,wie sie medial dargestellt werden.

Und wie werden sie dargestellt?

Entweder als Superheld oder armes Würstchen. Es ist immer eine Art Sonderbehandlung, die sie bekommen, die aber nicht fair ist. Entweder müssen blinde Menschen sich ihre Anerkennung durch besondere, positive Taten erkämpfen oder sie werden mitleidig als traurige Gestalt betrachtet.

Warum ist das so?

Menschen lieben es, zu idealisieren.

Die Idealisierung des Anderen.

Genau. Blinde sprechen selten über Blinde. Meist sind es die Sehenden, die sie bewerten.

INTERVIEW: STEFANIE ENDER

„Blindenselbsthilfe fällt nicht vom Himmel“, Vortrag über die Vereinsgeschichte: 18 Uhr, Museum der Arbeit, Wiesendamm 3