Der Manager als Hooligan

Hertha BSC verliert verdient beim FC Energie Cottbus mit 2:0. Einzig Trainer und Manager laufen zu Hochform auf – und das erst nach dem Spiel: Sie werden ausfällig gegen Schiri und Journalisten

VON MATTHIAS WOLF

Richtigen Biss zeigte Hertha BSC Berlin im Grunde erst, als alles vorbei war. Und dann auch nicht die Profis, sondern Dieter Hoeneß, dessen Aktion als gravierender Fall von Manager-Hooliganismus zweifellos demnächst vom Deutschen Fußball-Bund mit einer saftigen Geldstrafe bedacht wird. Hoeneß suchte, wie einst beim Zweikampf als Spieler, die Nähe zu Referee Lutz Wagner. Der fühlte sich derart bedrängt, dass er einen Sonderbericht anfertigen wird. Dann wurden ihm, weil der Berichterstatter vom Fernsehen kritisch die Schiedsrichter-Schelte des Berliner Managers hinterfragte, erst das Mikrofon und dann die Kamera lästig – der regierende Mittelstürmer von Berlin schlug erregt das technische Gerät weg. Das Ganze hatte etwas von Rudelbildung vor dem Sozialgebäude, wie der Kabinentrakt beim FC Energie Cottbus heißt.

In jedem Fall war es Frustabbau nach dem Berlin-Brandenburg-Duell, in dem die kleinen Nachbarn den großen Hauptstadtklub beim 2:0-Sieg vorgeführt und in der Tabelle überholt hatten. Diese Momentaufnahme schmerzt, gestand auch Hoeneß: „Das hatten wir uns wirklich anders vorgestellt.“

Allein, in der Ursachenforschung zeigte er merkwürdige Reaktionen. Gleiches galt, abgeschwächt, auch für Falko Götz. „Dass ich so die Fassung verliere, das hat zuvor noch keiner geschafft“, sagt er. Götz wurde erstmals in seiner Trainerlaufbahn vom Referee auf die Tribüne verwiesen. „Ich habe die Welt nicht mehr verstanden. Der Schiedsrichter war grottenschlecht.“ Nun ja. Wagner reagierte zwar nicht immer richtig, aber grobe Fehler waren nicht dabei. Hoeneß hingegen sprach von „65 Prozent falschen Entscheidungen, immer gegen uns“. Eine „regelrechte Provokation“ sei der Auftritt Wagners gewesen: „Wir sind verpfiffen worden. Aus irgendwelchen Gründen hat Herr Wagner was gegen uns und kann Hertha nicht objektiv pfeifen.“ Zur Untermauerung seiner Verschwörungstheorie führte er Partien wie gegen Werder Bremen aus der vergangenen Saison an, als Wagner Hertha einen Elfmeter verweigert und ein Tor aberkannt hatte. „Ich werde den DFB bitten, im Interesse aller Beteiligten, dass Herr Wagner kein Spiel mehr von uns pfeift.“

Der gescholtene Referee wollte die Vorwürfe nicht kommentieren. Nur so viel: „Die Ansetzungen macht immer noch Herr Roth“, der Schiedsrichter-Obmann, der werde sich „auch sicher nicht von einem Herrn Hoeneß beeindrucken lassen“. Wagner beraubte dann den Manager noch um eine andere Hoffnung. Während Hoeneß erklärt, er freue sich darauf, dass Wagner „bald in den wohlverdienten Ruhestand als Schiedsrichter geht“, verwies der Unparteiische aus Hofheim in Hessen auf die Altersgrenze. Er ist erst 43 Jahre. „Drei Jahre kann ich schon noch pfeifen.“ Hoeneß wird es nicht gerne hören. Im Gegensatz zu ihm nahmen die meisten Berliner Profis den Auftritt des Unparteiischen, ebenso wie die Niederlage, recht emotionslos zur Kenntnis. Nur Solomon Okoronkwo zeigte eine Reaktion, auf unfaire Weise: Er setzte zum Kopfstoß gegen Zoltan Szelesi an. Frustabbau, der zu Recht mit der Roten Karte geahndet wurde.

Mit sportlichen Mitteln wehrte sich kaum einer, wie Kapitän Arne Friedrich kritisierte: „Wir sollten uns alle mal hinterfragen“, sagt er und wollte das verletzungsbedingte Ausscheiden von Yildiray Bastürk (Wadenprellung) nicht als Ausrede gelten lassen: „Ist das ein Grund, die Zweikämpfe nicht mehr zu gewinnen?“ Kollegenschelte, wie man sie vom Nationalspieler selten hört. Marko Pantelic deutete Unstimmigkeiten an, ohne konkret zu werden: „Wir müssen uns dringend zusammensetzen, um unsere Probleme zu lösen.“ Der Cottbuser Marco Küntzel hat dazu eine eigene Sichtweise. Für ihn hat Hertha im Stadion der Freundschaft den Charaktertest nicht bestanden. „Das weiß man, dass die Typen drin haben, die nach einem 0:1 keine Lust mehr haben“, sagte er über die entzauberten Herthaner, die, in der Schlussphase von Energie überrannt, als Jammerlappen die Arena verließen.