„Ein Teufelskreislauf

DISKUSSION Hamburg gilt als „Hauptstadt der Altersarmut“. Experten suchen Gegenstrategien

■ 53, studierte Jura in Hamburg. Sie ist Geschäftsführerin des Hamburger Sozialverbands.  Foto: SOVD

taz: Frau Wöhrmann, wieso gilt Hamburg als Hauptstadt der Altersarmut?

Karin Wöhrmann: In Hamburg gibt es 330.000 Menschen, die älter als 65 Jahre sind. Das sind fast 19 Prozent der Hamburger Bevölkerung. Davon beziehen fast sieben Prozent Sozialleistungen. In Hamburg liegt die Armutsgefährdungsquote der Alten bei 13 Prozent, im Bundesdurchschnitt bei nur 10 Prozent.

Woran liegt das?

Zum einen liegt das an Hamburg selbst: Die Stadt hat hohe Lebenshaltungskosten. Die Preise für die Mieten, Energie und Lebensmittel steigen. Zum anderen liegt es an den verschiedenen Biografien.

Inwiefern?

Viele hatten Unterbrechungen im Arbeitsleben, viele Beschäftigungen waren im Niedriglohnbereich. Das wirkt sich alles auf die spätere Rente aus. Eigene Vorsorge ist da schwierig. Die meisten Menschen, die von der Altersarmut bedroht sind, können nicht privat vorsorgen. Da steht auch der Staat in der Pflicht.

Was kann der tun?

Zum Beispiel den ausnahmslosen Mindestlohn durchsetzen. Und wir werden nicht drum herum kommen, ihn höher als die momentanen 8,50 Euro anzusetzen. Dafür müssen Minijobs und Werkverträge abgeschafft werden. Ganz wichtig ist dabei, dass sozialversicherungspflichtige Jobs geschaffen werden, so dass die Leute in die Versicherung einzahlen können und das Rentenniveau – und damit die Versorgung des Einzelnen – steigt.

Gerade Dienstleistungsbranchen, etwa Friseure, sind besonders betroffen. Haben wir uns zu sehr daran gewöhnt, wenig zu zahlen?

Man muss den Menschen vor Augen führen, dass Arbeit einen Wert hat. Das ist wie mit Lebensmitteln: Wir wollen immer alles und viel und das so billig wie möglich. Aber das funktioniert einfach nicht, damit ruinieren wir uns selber. Bei einem Friseur, bei dem ich für zehn Euro einen Haarschnitt bekomme oder mir Strähnen färben lassen kann, arbeiten oft keine ausgebildeten Friseure. Es ist eben billig und nicht handwerklich.

Was kann man dagegen tun?

Da muss ein Umdenken erfolgen, man muss sich wieder auf gewisse Werte besinnen. Aber wenn man wenig Geld hat, dann achtet man natürlich auf die Preise und schaut, wo man es am günstigsten bekommt. Das ist einfach ein Teufelskreislauf.  fck

„Auch im Alter gut leben – welche Möglichkeiten gibt es, wenn Menschen im Alter arm sind?“: 19 Uhr, Brakula, Brahmfelder Chaussee 265