Neue Taktik bei Menschenhändlern

In Berlin leben rund 8.000 Prostituierte – fast die Hälfte von ihnen illegal und gelockt mit falschen Versprechen

In Berlin gibt es nach Schätzungen der Polizei rund 8.000 Prostituierte, von denen etwa 60 Prozent aus dem Ausland stammen. „Von diesen lebt knapp die Hälfte mit illegalem oder unsicherem Aufenthaltsstatus in Berlin“, sagte Heike Rudat, Leiterin des Dezernats Menschenhandel im Landeskriminalamt (LKA). „Diese Frauen, die zumeist aus Osteuropa kommen, sind wegen ihres illegalen Aufenthalts oft erpressbar. Sie haben deshalb meist eine große Hemmschwelle, sich uns anzuvertrauen.“ Misshandlungen und Bedrohungen seien an der Tagesordnung.

Die Statistik weist für 2006 in Berlin 36 Fälle von Menschenhandel zum Zweck der Prostitution aus. „Unsere Aufgabe ist es, eine höhere Zahl von Menschenhandelsfällen aufzudecken“, sagte Rudat. Freiwillige Prostitution ist in Deutschland weder verboten noch sittenwidrig. „Aber im Umfeld der Prostitution gibt es Kriminalität. So ermitteln wir etwa wegen Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Gewaltstraftaten oder wegen Drogendelikten.“

Die Taktik der Menschenhändler ändere sich. „Zwar wird nach wie vor ein Teil der ausländischen Prostituierten gewaltsam nach Deutschland verschleppt. Immer mehr Frauen kommen aber freiwillig hierher, weil die Täter ihnen versprechen, dass sie als Putzfrauen, Bardamen oder in anderen Berufen arbeiten können“, so Rudat.

„Andere werden direkt als Prostituierte angeworben, in Deutschland ändern die Menschenhändler jedoch die Arbeitsbedingungen. Die Frauen dürfen dann zum Beispiel nicht mehr wie versprochen die Hälfte der Einnahmen behalten, sondern müssen den Lohn fast vollständig an die Zuhälter abgeben. Sie haben keine Freizeit, sondern müssen sich rund um die Uhr für Freier bereithalten.“ Ihnen werde der Pass weggenommen, und wenn sie sich weigerten, weiter für die Zuhälter zu arbeiten, würden sie und ihre Familien bedroht.

Rudat forderte die Freier auf, nicht wegzuschauen, wenn ihnen etwas merkwürdig erscheine, und nicht nur auf Körperverletzungen zu achten. „Ein Opfer von Menschenhandel muss nicht zwangsläufig ein blaues Auge haben. Häufig reicht es schon, wenn ein trainierter Bewacher ihnen mit Misshandlungen droht. Solche Frauen wirken manchmal verstört und eingeschüchtert.“

Mit Hilfe der Freier könnten mehr Opfer gefunden werden. Anzeigen könnten auch anonym erstattet werden. Das LKA sei regelmäßig in Rotlichtvierteln unterwegs. „Erfolgversprechend ist unsere Zusammenarbeit mit den Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel wie der Berliner Frauenhilfsorganisation Ban Ying“, sagte Rudat. DPA