Deutsch-französische Konsenssuche vor Nato-Gipfel

RAKETENABWEHR Spitzfindigkeiten sollen Einigkeit in Lissabon bringen – aber nicht mit Nato-Gegnern

10.000 Sicherheitskräfte sind im Einsatz. Die Behörden fürchten schwere Krawalle

LISSABON dpa/dapd | Unmittelbar vor dem gestrigen Beginn des Nato-Gipfels in Lissabon haben Deutschland und Frankreich eine Einigung über die strategische Ausrichtung des geplanten Raketenabwehrschirms gesucht. Beide Seiten machten Zugeständnisse bei Formulierungen, wie Diplomaten sagten, aber „die Diskussionen über dieses Thema halten an“, so Nato-Sprecher James Appathurai. Die Staats- und Regierungschefs der 28 Nato-Mitglieder sollten am späten Nachmittag zusammenkommen.

In dem Streit geht es um die Frage, ob der neue Raketenabwehrschirm, der auf dem Gipfel beschlossen werden soll, eine nukleare Abrüstung erleichtern könnte. Die Atommacht Frankreich pocht darauf, dass nukleare Abschreckung und Raketenschild „komplementär“ sein müssen, also der Raketenschild lediglich als Ergänzung zu den bestehenden Atomwaffen. Aus Sicht Berlins soll die Raketenabwehr die Bedeutung von Atomwaffen dagegen mindern. Eine Einigung zwischen Berlin und Paris ist Voraussetzung, damit die Allianz auf dem Gipfel ihr neues strategisches Konzept verabschieden kann.

Frankreich soll inzwischen auf die Formulierung „komplementär“ verzichtet haben. Der von Deutschland gewünschte Hinweis auf Abrüstungsmöglichkeiten soll im Gegenzug nicht direkt mit der Raketenabwehr verbunden sein, sondern durch einen anderen Absatz von dieser getrennt.

Die portugiesischen Gastgeber schützen den Gipfel mit dem größten Einsatz ihrer Geschichte. 10.000 Sicherheitskräfte sind im Einsatz. Die Behörden fürchten schwere Krawalle. Die Sicherheitszone um den Tagungsort auf dem Lissaboner Messegelände wurde gestern ausgeweitet, mehrere Hauptstraßen wurden gesperrt, der Flugverkehr über Lissabon wurde eingeschränkt. Am Donnerstagabend hatten sich bei einer Protestkundgebung mehr als 100 Nato-Gegner wie tot auf das Pflaster gelegt. Für Samstag waren mehrere Demonstrationen angekündigt.