Schule fürs Leben

Eine Initiative für politische Bildung wehrt sich gegen die Sparpläne der Landesregierung im Politikunterricht

Wann wurde das Land Nordrhein-Westfalen gegründet? Und vor allem, warum? Der Politikunterricht der Sekundarstufen I und II sollte diese Wissenslücke auch in Zukunft schließen können. Das hofft zumindest die landesweite „Initiative für politische Bildung“. Auslöser für die Initiative waren Pläne der nordrhein-westfälischen Schulministerin Barbara Sommer (CDU), eine verbindliche Mindeststundenzahl für gesellschaftspolitische Fächer in den Klassen 5 bis 9 abzuschaffen.

Den ersten Erfolg hat die Initiative bereits erreicht. „Am vergangenen Freitag erreichte uns eine inoffizielle Mail des zuständigen Staatssekretärs mit dem Inhalt, die Kürzungen würden zurückgenommen“, sagte die Leiterin des Duisburger Mannesmann-Gymnasium, Birgit Keens. Politik und Physik seien demnach wieder gleichberechtigt. Es bleibt bei sechs Pflichtstunden Politik beziehungsweise Wirtschaft.

Das Problem ist, dass diese Rücknahme auf Kosten der „neuen 10. Klasse“, also dem vorgezogenen Eintritt in die gymnasiale Oberstufe geht: Demnächst soll es dort nur noch ein zweistündiges Pflichtfach aus dem Feld der Gesellschaftswissenschaften geben – hinzu kommt ein obligatorischer zweistündiger Geschichtskurs. Sozialwissenschaften können nur noch als zweistündiges Nebenfach oder fünftes Abiturfach gewählt werden. Die Leistungskurse sind demnächst den Fächern Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen oder Naturwissenschaften vorbehalten.

„Der größte Teil der Jugendlichen durchläuft in Zukunft die Klasse 10 ganz ohne politische Bildung“, sagt der Bielefelder Sozialwissenschaftler Reinhold Hedtke, stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Vereinigung für politische Bildung. „Wie passt das zu einer politischen Leitkultur?“ Und vor allem: Woher nehmen die 20 bis 25 Prozent der Studierenden, die sich für eine Geisteswissenschaft entschieden haben, ihre Vorbildung?

Übrigens: offizielles Gründungsdatum des Landes NRW ist der 23. August 1946. Die Landesverfassung folgte vier Jahre später. „Politikunterricht in Nordrhein-Westfalen hat seitdem Verfassungsrang“, sagt Hedtke. Unter Artikel 11 der Verfassung steht: „In allen Schulen ist Staatsbürgerkunde Lehrgegenstand und staatsbürgerliche Erziehung verpflichtende Aufgabe.“ Die Bedürfnisse scheinen sich geändert zu haben. HOLGER PAULER