Bürgerwut auf die neue Startbahn

BAYERN Weil die Landesregierung über die 25.000 Beschwerden gegen den Flughafenausbau nicht öffentlich verhandeln will, drohen die Gegner einer dritten Startbahn jetzt mit verschärften Protestaktionen

„Heute ist der Auftakt zu München 21“

Bündnis „Aufgemuckt“

MÜNCHEN taz | Sie haben zum Protest den Maibaum von Attaching verhüllt, sie trafen sich mit Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) zum Dialog in der Staatskanzlei, sie marschieren seit vier Jahren regelmäßig schweigend durch Freising. So vorbildlich friedlich und verständnisvoll wie die Gegner der dritten Startbahn am Münchner Flughafen haben Bürger in Bayern selten gegen die Regierung protestiert. Bis zu diesem Donnerstag.

„Wir vertrauen diesen Herrschaften nicht mehr“, sagt Hartmut Binner vom Aktionsbündnis „Aufgemuckt“. „Wir sind wütend.“ Er droht: Es werde spektakuläre Aktionen geben, man werde der Regierung kräftig einheizen. „Heute ist der Auftakt zu München 21.“

Schuld an der Wut der Startbahn-Gegner ist die oberbayerische Bezirksregierung. Die hat nun entschieden, 24.808 Bürger, die Einwendungen gegen die Startbahnpläne eingereicht hatten, nicht in einer öffentlichen Erörterung anzuhören. Die Begründung: durch die Einwendungen ergebe sich „keine Veränderung der zentralen Planungs- und Beurteilungsgrundlagen“. Ministerpräsident Seehofer versuchte die Startbahngegner in einer Mitteilung zu beschwichtigen. Der Verzicht auf eine Anhörung ermögliche es, das Planungsverfahren „in einem angemessenen Zeitraum voranzubringen“, so Seehofer. „Auch ich persönlich werde weiter für die Argumente der Startbahngegner jederzeit ein offenes Ohr haben.“

Seehofer weiß, wie gefährlich ihm die zehntausende Startbahngegner aus den Landkreisen im Norden Münchens werden können. Schon seit Jahren kämpft die Münchner Flughafengesellschaft, zu 51 Prozent Eigentum des Freistaats Bayern, für den Ausbau des Flughafens von zwei auf drei Startbahnen. Der wirtschaftliche Nutzen ist umstritten, die Gegner verweisen auf die drohende massive Lärm- und Abgasbelastung. Die Landkreise um den Flughafen waren früher eine CSU-Hochburg. Bei der Landtagswahl 2008 verlor die CSU wegen des Startbahn-Streits dort tausende Stimmen an die Grünen und die Freien Wähler und sackte bayernweit unter 50 Prozent. Der Antrag der Flughafengesellschaft für den Ausbau ist 47 Aktenordner dick. 57.551 Bürger schickten schriftlich eine Einwendung an die Behörden. Die Flughafenbetreiber änderten darauf ihren Antrag und kassierte für die neuen Passagen fast 25.000 Einwendungen – deren öffentliche Erörterung die Regierung von Oberbayern nun abgelehnt hat. „Das ist schlicht eine Verhinderung des Bürgerwillens“, empört sich Binner. Am Freitag machten die Bürger bei einer Demo vor dem Amtssitz der oberbayerischen Regierung ihrem Ärger Luft.

BERHARD HÜBNER