Gewerkschaften verbünden sich weltweit

Heute gründet sich in Wien der Internationale Gewerkschaftsbund als Gegengewicht zur Globalisierung des Kapitals. Doch die Kampfkraft von Gewerkschaften liegt nach wie vor auf der lokalen und nicht der internationalen Ebene

VON NICOLA LIEBERT

Das Kapital agiert global – die Arbeit will nachziehen. Heute heben deshalb die Gewerkschaften in Wien den Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) aus der Taufe. „Hier entsteht eine Organisation mit der Schlagkraft von 190 Millionen Mitgliedern, die alle an einem Strang ziehen“, sagt Markus Franz, Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). „Darauf haben wir zwei Jahre hingearbeitet.“

Im neuen IGB, der in Brüssel seinen Hauptsitz haben wird, gehen mehrere bisher schon existierende Verbände auf: acht bislang nicht international angebundene Gewerkschaftsdachverbände wie die mächtige französische CGT, der Internationale Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) und der christlich orientierte, deutlich kleinere Weltverband der Arbeitnehmer. Nicht mit von der Partie ist der eher kommunistisch ausgerichtete Weltgewerkschaftsbund, dem nach dem Fall der Mauer die Unterstützung aus dem Ostblock weggebrochen ist.

Bislang sei das Verhältnis zwischen den großen internationalen Dachverbänden eher von einem „schwierigen Dialog“ geprägt gewesen, heißt es in einer offiziellen Erklärung des IBFG. Künftig aber sei Kooperation statt Konkurrenz angesagt. „Die Globalisierung hat uns harmonisiert“, beschreibt der Experte für Internationales im DGB, Jürgen Eckl, die Entwicklung.

Der neue Gewerkschaftsbund verpflichtet sich in seiner Satzung dazu, „allen Bedürftigen praktische Solidarität zu gewähren und den globalen Strategien des Kapitals mit globalen Strategien der Arbeit zu begegnen“. Die Frage ist nur: wie? Liest man die Satzung weiter, bekommt man den Eindruck, es mit einer Art Nichtregierungsorganisation zu tun zu haben, die für die Achtung grundlegender Rechte bei der Arbeit und die Abschaffung von Kinder- und Zwangsarbeit und gegen Verletzungen der Vereinigungsfreiheit und Diskriminierung kämpft.

„Ein internationaler Bund hat kaum Möglichkeiten, in den klassischen gewerkschaftlichen Handlungsfeldern wie dem Abschluss von Tarifverträgen oder Streiks aktiv zu werden“, erklärt Hans-Wolfgang Platzer, der an der Hochschule Fulda über globale Arbeitsbeziehungen forscht. „Die unmittelbare Kampfkraft von Gewerkschaften besteht weiter auf der lokalen und betrieblichen, nicht auf der internationalen Ebene.“ Zu heterogen sei die Mitgliedsbasis, um konkrete Politik zu machen. Der IGB werde daher vor allem die internationale Diskussion kritisch begleiten und den Aufbau von Gewerkschaften in Länder organisieren, wo diese bisher wenig gelten.

Auch die bisherigen internationalen Dachverbände seien kaum mehr gewesen als Koordinierungsplattformen und Lobbys gegenüber anderen Organisationen wie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), meint Platzer. An diesem Profil habe die Globalisierung wenig geändert. Die jetzige Neugründung brächte zwar einen Zugewinn an Repräsentativität, eine grundlegende Neuausrichtung erwartet der Wissenschaftler jedoch nicht.