Nachhaltige Milieuschäden eines notorischen Betrügers

DAILY DOPE (673) Der einstige Radprofi Riccardo Riccò wird beim Kauf leistungssteigernder Mittel ertappt

Die Katze lässt das Mausen nicht. Riccardo Riccò, wegen wiederholten Dopings mit einer Wettkampfsperre von zwölf Jahren belegter ehemaliger Radprofi, kann offenbar auch als Privatmann nicht von leistungssteigernden Substanzen lassen. Am Dienstagnachmittag beobachteten Carabinieri der Antidopingeinheit, wie Riccò vor einem McDonald’s in einem Außenbezirk der toskanischen Hafenstadt Livorno gemeinsam mit einem Begleiter von zwei Männern Dopingprodukte erwerben wollte.

Sie nahmen Riccò, seinen Begleiter und die Lieferanten fest. Sie kassierten vor Ort Testosteron und das Anämiemedikament Epoetin alfa sowie mehr als 1.000 Euro Bargeld – offenbar die Kaufsumme – ein. Im Hause eines der Lieferanten stellte die Polizei zudem weitere Dopingpräparate im Werte von 15.000 Euro sicher. Der Mann war in einem Krankenhaus angestellt. „Nur für den klinischen Gebrauch“, stand der Gazzetta dello Sport zufolge auf vielen der Verpackungen. Dem mutmaßlichen Krankenhausdieb drohen wegen Hehlerei zwei bis acht Jahre Haft.

Riccò wird derzeit nur als Käufer verdächtigt. Er selbst bestreitet jegliche Betrugsabsicht. „Ich war nur zur falschen Zeit am falschen Ort“, teilte er dem Lokalblatt Il Tirreno mit. Glauben dürften dies nicht einmal Leute, die den Weihnachtsmann für einen regulären Bürger der EU halten. Die Fahnder hatten längere Zeit schon gegen einen Dopingring in der Toskana ermittelt und schlugen jetzt zu. Aussagen über die Rolle Riccòs – ob er möglicherweise nur für den Hausgebrauch Dopingprodukte erwarb oder sogar als Wiederverkäufer in alte Kollegenkreise tätig war – machten die Ermittler bislang nicht.

Mit Riccò ging ihnen ein notorischer Betrüger ins Netz. Über ihn kursierte schon als Junior das Gerücht, er habe vor einem medizinischen Test im UCI-Hauptquartier in Aigle mittels Blutdoping seinen Hämatokritwert absichtlich in die Höhe getrieben, um eine Ausnahmeregelung zu erhalten. 2008 griff er auf das damals unter Radprofis sehr beliebte Präparat Cera zurück; Stefan Schumacher und Bernhard Kohl verhalfen damit unter anderem dem Rennstall Gerolsteiner zu beeindruckenden Erfolgen bei der Tour de France.

Kaum von seiner zweijährigen Dopingsperre zurückgekehrt, schockte Riccò im Februar 2011 mit einem plötzlichen Nierenversagen die Radsportwelt. Der Notarzt diagnostizierte eine unsachgemäß vorgenommene Bluttransfusion als Ursache. Riccò bekam danach die zwölfjährige Sperre aufgebrummt. Dass er nun auch als Privatmann weiterhin zumindest die Nähe von Dopinghändlern sucht, spricht für ausgeprägtes Suchtverhalten und nachhaltige Milieuschäden. Der 31-Jährige ist zwar voll verantwortlich für sein Handeln. Er ist aber zugleich auch eine Folgeerscheinung eines Berufsumfelds, in dem Betrug zu den Geschäftsgrundlagen gehörte. Sein Fall und auch der Fund von Glasröhrchen mit Medikamenten am Rande der diesjährigen Ausgabe des Klassikerrennens Paris–Roubaix erinnern daran, dass das Dopingproblem im Radsport zwar gemindert, aber noch lange nicht gelöst ist.

TOM MUSTROPH