Briten krachend gescheitert

URTEIL London wollte verhindern, dass elf EU-Staaten eine Steuer auf Finanztransaktionen einführen. Das hat der Europäische Gerichtshof zurückgewiesen – allerdings nur vorerst

Mit ihren Bedenken können die Briten die Verhandlungen weiter torpedieren

VON CHRISTIAN RATH

FREIBURG taz | Großbritannien kann nicht verhindern, dass elf EU-Staaten über eine gemeinsame Finanztransaktionsteuer verhandeln. Das entschied jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg und lehnte eine Klage der britischen Regierung gegen die verstärkte Zusammenarbeit von Deutschland, Frankreich und neun weiteren Staaten ab. Die britischen Einwände sind damit freilich noch nicht ausgeräumt.

Über die Einführung einer Finanztransaktionsteuer wird auf EU-Ebene schon seit Jahren diskutiert. Ursprünglich war sie von dem amerikanischen Nobelpreisträger James Tobin und den Globalisierungskritikern von Attac vorgeschlagen worden, um reine Finanzspekulationen unattraktiv zu machen. Seit Ausbruch der Finanzkrise wird die Finanztransaktionsteuer jedoch vor allem als Mittel gesehen, den Finanzsektor an den enormen Stabilisierungskosten für das Banksystem zu beteiligen.

2011 legte die EU-Kommission einen Vorschlag vor, EU-weit eine Finanztransaktionsteuer einzuführen. Im Sommer 2012 zeigte sich jedoch, dass der Widerstand zu groß ist. Vor allem Großbritannien, aber auch Luxemburg und die Niederlande lehnten eine solche Steuer ab.

Seit 1997 ist es jedoch möglich, dass einige EU-Staaten eine verstärkte Zusammenarbeit ohne Bremserstaaten beschließen können. Von dieser Möglichkeit wollten Deutschland, Frankreich, Belgien, Estland, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien, Slowakei und Spanien nun Gebrauch machen. Der EU-Ministerrat erlaubte das im Januar 2013.

Kurz darauf legte die EU-Kommission einen neuen Vorschlag für eine Elfer-Finanztransaktionsteuer vor. Danach sollten alle Aktienkäufe mit 0,1 Prozent und alle Derivatgeschäfte mit 0,01 Prozent besteuert werden. Um Ausweichmanöver zu erschweren, sollte die Steuer auch erhoben werden, wenn zum Beispiel in London oder Luxemburg Geschäftspartner aus den elf beteiligten Staaten Aktien handeln – oder wenn dort Wertpapiere aus den elf beteiligten Staaten verkauft werden. Das wollte sich Großbritannien aber nicht gefallen lassen und klagte im April 2013 gegen den Beschluss, der den elf Staaten eine verstärkte Zusammenarbeit erlaubt.

Der EuGH hat die britische Klage nun aber in vollem Umfang abgelehnt. Denn die von Großbritannien vorgebrachten Argumente wenden sich allesamt gegen den Kommissions-Vorschlag, der von den elf Staaten noch gar nicht beschlossen wurde.

Die grundsätzliche Erlaubnis, dass elf Staaten bei der Finanztransaktionsteuer voranschreiten, lasse völlig offen, wie diese letztlich ausgestaltet sein wird. Großbritannien muss mit seiner Klage also warten, bis die elf Staaten tatsächlich eine Steuer beschließen, die auch britische Börsen betrifft.

Ob es dazu je kommen wird, ist derzeit noch völlig offen, da sich vor allem Deutschland und Frankreich nicht über die Ausgestaltung der Steuer einigen können. Frankreich will nur Aktien besteuern, um seinen lukrativen Derivatehandel nicht zu gefährden. Deutschland besteht dagegen darauf, künftig auch Derivate besteuern zu wollen, weil sonst die Geschäfte nur verschoben werden.

Zeitweise bremste die Bundesregierung auch mit dem Argument, man müsse erst die von den Briten aufgeworfenen Rechtsfragen klären. Insofern hatte die britische Klage also bereits gewissen Erfolg. Und da die Rechtsfragen nun ja immer noch nicht geklärt sind, können die Briten mit ihren Bedenken weiterhin die Verhandlungen im Elferkreis torpedieren. Umgekehrt können Staaten, die sich nicht wirklich einigen wollen, sich auch weiterhin gut hinter den britischen Einwänden verstecken.

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