Verkehrsübungsplatz Lippe

Rund 3.000 Kilometer Straße sollen in dem Kreis künftig in einer Partnerschaft von Staat und Wirtschaft verwaltet werden. Das ist einmalig. Andere Kreise haben schon Interesse angemeldet

VON KATHARINA HEIMEIER
UND KLAUS JANSEN

Der Landrat will sich auch von einem Bürgerbegehren nicht aufhalten lassen. Wenn am Montag der Kreistag in Lippe zusammenkommt, will Friedel Heuwinkel den Weg für ein bundesweit einzigartiges Projekt freimachen: Es geht um 50 Millionen Euro und über 3.000 Kilometer Asphalt, die künftig von einem privaten Investor betrieben werden sollen.

Der Christdemokrat Heuwinkel will das gesamte Straßennetz seines Kreises in eine so genannte Public-Private-Partnership (PPP) überführen. Dass die Gegner dieses Plans knapp 19.000 Unterschriften gesammelt haben, soll ihn dabei nicht stoppen. Er habe „keine andere Wahl“, als dem Kreistag vorzuschlagen, das Bürgerbegehren abzuschmettern, sagt Landrat Heuwinkel vor der Entscheidung.

Wer ab Mitte 2008 auf den Straßen am Rande des Teutoburger Waldes mit seinem Auto in einem Schlagloch hängen bleibt, muss seine Beschwerde dann nicht mehr an den Kreis, sondern an einen „interkommunalen Zweckverband“ richten. Der wiederum muss sich mit einem noch zu findenden Privatunternehmen auseinander setzen, das für die Reparatur aufkommt. Der möglichst solvente Wunschpartner soll sich auch um Planung und Bau der Straßen kümmern. Auf 20 Jahre soll das private Engagement bei neu gebauten Straßen angelegt sein. Der Kreis will sparen.

Werden nach Wasserversorgung und Krankenhäusern jetzt auch die Verkehrswege verramscht? Keinesfalls, heißt es im Kreishaus. „Die Entscheidung darüber, was wo gebaut wird, treffen weiter die Kommunen“, sagt Sprecher Thomas Wolf-Hegerbekermeier. Der Kreis werde nur für Dienstleistungen bezahlen – ohne Risiko auch für den Fall, dass der Partner Pleite gehen sollte. Ein „Mittelweg“ zwischen staatlicher Alleinverantwortung und Privatisierung werde gesucht, sagt auch Frank Littwin, Leiter einer im NRW-Finanzministerium eingerichteten „PPP-Task-Force“, die das Projekt für die Landesregierung betreut. Er hält es für denkbar, dass das Modell nachgeahmt wird: Mehrere Kreise haben Interesse bekundet, auch für Landesstraßen kann Littwin sich Beteiligungen vorstellen. Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) lehnt das bisher jedoch ab.

Ursprünglich wollte der Kreis auch den Winterdienst und die Straßenreinigung der PPP überlassen. Dass darauf nun verzichtet wird, versteht der Landrat als „ausgestreckte Hand“ in Richtung der PPP-Gegner. Die sorgen sich aber weiter um Arbeitsplätze in der Region. Allein in den vergangenen drei Jahren seien 80 Aufträge rund um die Straßen an regionale Unternehmen vergeben worden, sagt Bernd Groeger, Chef der Aktion „Bürgerbegehren StoPPPt Straßen Lippe“. Mit dem neuen Modell werde „die mittelständische Wirtschaft massiv geschädigt“. Kritik kommt auch vom Kölner Korruptionsexperten Werner Rügemer. Der Autor und Chef des Vereins „Business Crime Control“ hat sich eingeschaltet, weil sich Landrat Heuwinkel eine umstrittene Beraterin eingekauft hat: Ute Jasper. Die Entscheidung ist mindestens mutig zu nennen: Immerhin hat die Juristin mit ihrer Beratertätigkeit schon eine kommunalpolitische Karriere beendet. Ihr Partner Jens Baganz (CDU), jetzt Staatssekretär im NRW-Wirtschaftsministerium, trat im Jahr 2002 als Mülheimer Oberbürgermeister zurück. Er hatte seiner Freundin die Beratung in Privatisierungsfragen mit einer angeblich sechsstelligen Summe honoriert.

Eine „komische Konstellation“ sei das, findet die lippische SPD-Kreisvorsitzende Ute Schäfer. Auch die frühere NRW-Schulministerin begibt sich vor der Kreistagsentscheidung am Montag in das für sie unbekannte Gebiet der Verkehrspolitik. Das PPP-Projekt führe nicht zu einer Effizienzsteigerung, sagt sie. Den Kreis fordert sie auf, dem Bürgerbegehren zu folgen und einen Bürgerentscheid zuzulassen – alles andere wäre eine „Missachtung von 20.000 Menschen“.