Silvio statt Saban?

Berlusconis Mediaset-Gruppe erwägt den Einstieg bei der Senderfamilie ProSiebenSat.1 – auch weil auf dem italienischen TV-Markt Ärger droht

VON MICHAEL BRAUN
UND STEFFEN GRIMBERG

Am Dienstag findet deutsche Medienpolitik zur Abwechslung mal in Mailand statt: Dann nämlich will die Unternehmensgruppe Mediaset des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi entscheiden, ob sie die ProSiebenSat.1 AG kauft.

Nachdem das Kartellamt Anfang des Jahres der Axel Springer AG die Übernahme der Senderfamilie untersagt hatte, sucht Noch-Eigner Haim Saban neue Interessenten für Sat.1, ProSieben, Kabel 1, N 24 und 9live. Berlusconis Mediaset bestätigte gestern, man überlege, im Fall einer positiven Entscheidung am Dienstag für 50,5 Prozent der Anteile und damit für die Kontrollmehrheit bei ProSiebenSat.1 zu bieten. Zur Mediaset gehören im TV-Bereich die drei italienischen Privatsender Canale 5, Rete 4 und Italia 1. Das nötige Geld, die größte deutsche Privatsendergruppe zu kaufen, hätte Mediaset allemal. Im Jahr 2005 lagen die Gewinne vor Steuern bei knapp 800 Millionen Euro.

Dennoch erscheinen die Expansionspläne Richtung Deutschland als gewagter Schritt. Denn die deutsche Politik hat in den vergangenen Jahren unmissverständlich klar gemacht, dass Berlusconi als Investor im deutschen Medienmarkt nicht willkommen sei. Auch wenn er nicht mehr als Regierungschef im Amt ist, dürfte sich an der ablehnenden Haltung wenig ändern. Zu deutlich war bei den Berlusconi-Sendern zu beobachten, wie ungeniert sie der 70-Jährige für seine eigenen politischen Ziele einspannte.

Beim Objekt der Begiere hält man sich noch bedeckt: Die ProSiebenSat.1 AG wollte sich gestern nicht äußern. Auch bei der für die Sendelizenz der meisten ihrer Programme zuständigen Bayerischen Landesmedienanstalt hieß es nur: „Kein Kommentar.“ Ganz unbeleckt ist Berlusconi in Sachen Deutschland nicht: Bis zum Untergang der Kirch-Gruppe war er an deren Pay-TV-Plattform Premiere beteiligt.

Übermäßig erfolgreich ist das Auslandsengagement der Mediaset bisher nicht, eine wirkliche Erfolgsgeschichte ist nur die Beteiligung am spanischen Privatsender Telecinco. Zu Hause war es für Berlusconi dagegen wesentlich leichter, Geld zu verdienen – dank maßgeschneiderter Mediengesetze und des eignen Engagements in der Politik. Seit 1994 konnte sich Berlusconi selbst, mal als Regierungschef, mal als Oppositionsführer, um die Pflege der politischen Landschaft im Interesse seiner Unternehmen kümmern.

Die Effekte sind heute zu besichtigen: Die Mediaset ist neben der staatlichen RAI der einzige nennenswerte private TV-Anbieter. Berlusconis Kanäle allein ziehen knapp 70 Prozent der gesamten italienischen TV-Werbung an sich und liegen bei 40 bis 45 Prozent Einschaltquote.

Doch die herrlichen Zeiten neigen sich womöglich dem Ende zu – und hier könnte der tiefere Grund für die neue Lust auf Engagements jenseits der italienischen Grenze liegen. Im April 2006 verlor Berlusconis Rechtsbündnis die Wahlen, und seit wenigen Wochen liegt der Entwurf der Prodi-Regierung für ein neues Mediengesetz vor. Danach darf kein einzelner Anbieter gleich drei terrestrisch-analog ausstrahlende Sender kontrollieren. Spätestens 2008 müsste Berlusconi so mindestens eines seiner Programme digital ausstrahlen – und rechnet dadurch mit einem Minus von etwa 300 Millionen Euro bei den Werbeeinnahmen.

Noch bedrohlicher ist allerdings ein zweiter Punkt des Gesetzentwurfs: Ein einzelner Anbieter darf danach bloß noch 35 Prozent der gesamten in Italien anfallenden TV-Werbeeinnahmen kassieren. Das liefe annähernd auf die Halbierung des bisherigen Mediaset-Anteils hinaus. Die goldenen Zeiten, in denen Berlusconi auf dem Heimatmarkt Jahr für Jahr kräftig wachsende Umsätze und Gewinne erwirtschaften konnte, wären damit vorbei. Und Auslandsmärkte würden zum einzigen Feld einer möglichen Expansion.

ProSiebenSat.1-Besitzer Haim Saban dürfte anders als der deutschen Politik so ziemlich jeder Käufer recht sein – Hauptsache, er und seine Kofinanziers können die Sendergruppe, die sie 2002 nach der Kirch-Pleite zu einem lächerlich günstigen Preis erworben haben, endlich mit sattem Gewinn weiterverkaufen.