Tod durch den Strang

Saddams Wunsch, erschossen zu werden, bleibt unerfüllt

Im Gerichtssaal verhandelt worden war eher eine Fußnote Saddams blutiger Herrschaft

VON KARIM EL-GAWHARY

Aufsässig blieb er sitzen. Saddam Hussein machte zunächst keinerlei Anstalten, bei der Verlesung des Urteils über ihn aufzustehen, als der Vorsitzende Richter Rauf Abdul Rahman zwei Gerichtsdiener auforderte, ihn hochzuziehen. „Gott ist groß“ und „Lang leben die Iraker und Tod ihren Feinden“, zelebrierte der ehemalige Diktator trotzig, während der Richter beharrlich schreiend und zunehmend heiser das Urteil verlas. Nach wenigen Minuten war es dann vorbei: „Das Gericht hat entschieden, Saddam Hussein al-Madschid wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Tod durch den Strang zu verurteilen“, lautete das wenig überraschende Verdikt. Damit wurde auch nicht Saddams Wunsch stattgegeben „nicht wie ein einfacher Krimineller aufgehängt“, sondern erschossen zu werden. Eine Exekution durch ein Erschießungskommando darf im Irak nur von Militärgerichten angeordnet werden.

Auch Saddams Halbbruder Barsan Ibrahim al-Tikriti und der frühere Vorsitzende des Revolutionsgerichtes, Auad Hamed al-Bander, wurden vor dem irakische Sondertribunal zum Tod verurteilt. Saddams früherer Stellvertreter Taha Jassin Ramadan bekam, ebenfalls wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, eine lebenslange Haftstrafe. Drei Mitglieder der Baath-Partei mit niedrigeren Rängen müssen wegen vorsätzlicher Tötung und Folter für jeweils 15 Jahre ins Gefängnis. Ein vierter Parteivertreter wurde wegen Mangels an Beweisen freigesprochen.

Im schiitischen Sadr City, im Norden Bagdads, tanzten Jugendliche nach Bekanntwerden des Urteils auf den Straßen und forderten Saddams sofortige Hinrichtung. An vielen Stellen Bagdads waren Freudenschüsse zu hören. In Saddams Heimatstadt Tikrit zogen dagegen rund tausend Menschen durch die Stadt und schworen, ihr Blut und ihre Seele für Saddam zu geben und ihn zu rächen. Die Regierung hatte zuvor aus Angst vor gewalttätigen Übergriffen eine Ausgangssperre verhängt.

Im Gerichtssaal verhandelt worden war eher eine Fußnote Saddams blutiger Herrschaft. Weil der Fall am besten dokumentiert war, wurde Saddam mit sechs Mitangeklagten zunächst für ein Massaker in dem schiitischen Dorf Dudschail, etwa 60 Kilometer nördlich von Bagdad, vor Gericht gestellt. Nach einem gescheiterten Attentat auf Saddam 1982 waren 148 Männer und Jugendliche als angebliche Verschwörer hingerichtet worden. Hunderte von Männern, Frauen, Kindern endeten im Gefängnis. Viele von ihnen haben die Haftbedingungen und die Folter nicht überlebt.

Zu dem Fall wurden mehr als 50 Zeugen in 39 Sitzungen verhört, darunter fast die Hälfte hinter einem Vorhang, um ihre Anonymität zu wahren. An zwölf Verfahrenstagen war Saddam nicht anwesend, entweder weil er die Sitzung boykottiert hatte oder weil er des Saals verwiesen worden war. Das noch von US-Besatzungsverwalter Paul Bremer geschaffene Sondertribunal tagte in der Grünen Zone, einem streng gesicherten Gebiet im Herzen Bagdads, in dem das irakische Parlament tagt und die US-Botschaft liegt. Die Sitzungen wurden aus Sicherheitsgründen stets mit zeitlicher Verzögerung im Fernsehen übertragen. Teilweise wurden auch Szenen aus dem Gerichtssaal geschnitten oder ohne Ton gezeigt.

Der neun Monate dauernde Prozess war immer wieder durch Skandale gestört worden. Einer von Saddams Verteidigern war unmittelbar nach dem ersten Prozesstag auf offener Straße erschossen worden. Zwei weitere wurden später ermordet, ein anderer musste aus dem Land fliehen. Der ursprüngliche Vorsitzende Richter Rizgar Amin trat zurück, nachdem schiitische Politiker ihm vorgeworfen hatten, zu lax mit Saddam umzugehen. Amin hatte sich seinerseits über wiederholte politische Einflussnahmen beschwert.

Gegen Saddam Hussein läuft seit August noch ein weiteres Verfahren wegen des Vorwurfs des Völkermords an nordirakischen Kurden Ende der 80er-Jahre. Bei der Anfal-Offensive sollen zehntausende Kurden getötet worden sein. Einzelne Schätzungen gehen von bis zu 100.000 Todesopfern aus. Damals sollen auch Senf- und Nervengas eingesetzt worden sein.

Nach dem Todesurteil im gestrigen Verfahren soll am Montag das 30-tägige automatische Berufungsverfahren beginnen. Der Entscheidung der Berufungsrichter ist aber keine Frist gesetzt. Sollten sie auf Verfahrensfehler oder Gesetzesbrüche stoßen, wird der Prozess neu aufgerollt. Bestätigen sie das Todesurteil, muss Saddam innerhalb von 30 Tagen vor seinen Henker treten.