Kulturtransfer zur Imagesteigerung

Drei Ausstellungen laufen momentan im Essener Folkwang-Museum parallel. Zwei davon wurden vom RWE-Stromkonzern gesponsert. Der will sein millionenschweres Engagement nicht ohne Hintergedanken europaweit ausweiten: Die Ausstellungen werden in RWE-Kernmärkte transferiert

VON KATJA BEHRENS

Mit seinem Engagement für zeitgenössische Kunst will der Essener Energiekonzern RWE seine Risikofreudigkeit unterstreichen. Doch mit zwei gesponserten Parallel-Ausstellungen fürs Folkwang-Museum im eigenen Konzern-Turm und im Museumsgebäude selbst macht er momentan nur das, was alle anderen Großsponsoren auch tun: sich in der Öffentlichkeit als modern und mutig präsentieren. Der britische Fotograf Darren Almond (geboren 1971) hatte vor knapp zwei Jahren im Düsseldorf K 21 bereits eine große Einzelausstellung, in der er vor allem jene Arbeiten vorstellte, die Abstraktes wie Zeit und Raum in skulpturale Installationen übersetzen. Nun ist er eingeladen, im Folkwang-Museum seine „Moonscapes“ zu zeigen. Das sind drei Videofilme von Zugfahrten und Fotografien nächtlicher Szenerien bei Mondschein, die seit 1997 entstehen. Dazu sucht der Künstler im hellen Licht des Vollmondes gerne Orte auf, die fernab jeglicher Zivilisation im Dunkel verharren. Die Langzeitbelichtung der oft spektakulären, in Künstlichkeit erstarrten, oft erstaunlich hellen Vollmond-Landschaften macht die vielen Nuancen der Farben sichtbar, die mit bloßem Auge nicht zu sehen sind. Almond fotografiert auch an Plätzen, wie den Kreidefelsen auf Rügen, die kunsthistorisch schon besetzt sind und bereits eine Stimmung transportieren. Damit erhöht sich aber auch der Kitsch-Faktor.

Im RWE-Turm zeigt das Folkwang-Museum zeitgleich die junge polnische Fotografin und Installationskünstlerin Karolina Kowalska (geboren 1978 in Krakau). Sie setzt sich in ihrer Arbeit mit dem modernen Stadtraum auseinander und damit, wie das Leben der Menschen durch diese Umgebung geprägt und gelenkt wird. Dass die Künstlerin mit ihrer Arbeit „risk management“ – das sind überklebte Notausstieg-Schilder im Foyer des schmucken Turms – vermutlich nicht bloß die Ornamente des Lebens sucht, sondern auch Kritik an der Einflussnahme des Energiekonzerns aufs Museum und damit auch die Fragwürdigkeit der Marketingstrategie Kultursponsoring andeuten möchte, bleibt leider undeutlich. Immerhin steckt der Konzern jährlich eine Million Euro in die Essener Ausstellungen. Gerade erst wurde die Erweiterung der Kooperation zwischen dem Museum und der RWE AG vereinbart. Geplant ist nun auch ein Kulturtransfer zur Imagesteigerung. Jeweils eine der drei jährlich gesponserten Ausstellungen nach Polen, Ungarn, Tschechien, Holland, England oder in die Slowakei weiterreisen zu lassen: „So werden auch die RWE-Kernmärkte in diese Form der Kunstförderung einbezogen“, so ein Vorstandssprecher. Kunst sei, ebenso wie die Unternehmensführung, auf Freiräume zur Weiterentwicklung angewiesen. In der Tat: Herausragender Höhepunkt des RWE-Sponsoring soll ein großes Ausstellungsprojekt zum Kulturhauptstadtjahr 2010 sein.

Ohne RWE kam das Museum bei der noch laufenden Ausstellung des spanischen Fotografen Joan Colom aus, dessen Bilder in der Fotografischen Sammlung des Folkwang Museums die wohl erfreulichste Entdeckung des Ausstellungsreigens in Essen sind. Colom hatte in Franco-Spanien keine politischen, wirtschaftlichen oder institutionellen Freiräume für seine Arbeit. Das hat ihn aber offensichtlich an seinen fotografischen Streifzügen nicht gehindert. Der heute 86-jährige Buchhalter betrat erstmals 1958 und dann für drei Jahre jedes Wochenende das verrufenste Viertel seiner Heimatstadt Barcelona: „El Raval“ oder auch „Barrio Chino“, wie es auf Castellano heißt. Das ist der Rotlichtbezirk, in dessen Gassen er Prostituierte und ihre Freier, verwahrloste Kinder, Hausfrauen, Kleinkriminelle und Obdachlose traf und fotografierte. Deren semiöffentliches Leben wurde in den folgenden Jahren das Sujet seiner Fotografien. Dass er dabei nie den Sucher auf die Menschen richtete, sondern gleichsam aus der Hüfte schoß und so seine Motive oft dem Zufall verdankt, ist daran erkennbar, dass viele der teils unscharfen Bilder des diskreten Flaneurs die Menschen aus leichter Untersicht zeigen. Auf der Bühne der Straße wird das Spiel des Lebens gespielt: Reichtum und Elend, Glück und Trostlosigkeit, Sehnsucht und Verlockung, Begehren und Unterwerfung – der Reigen der Geschlechter natürlich auch hier. Angesichts der vielen dicken Hintern und ausladenden Brüste entsteht der Eindruck, dass Colom – der Buchhalter – mit seinen Bildern vor allem den eigenen Obsessionen folgt. Doch schnell wird klar, dass er zuallererst ein liebevolles Porträt einer Gesellschaft, ihrer Menschen und deren Beziehungen zeichnet. So scheint er sie mit der Kamera eher genüsslich zu tätscheln als zu begrapschen.

Darren Almond und Karolina KowalskaBis 07.Januar 2007Joan Colom, bis 12.November 2006Infos: 0201-8845314