Die Frau mit dem Riecher

Die Herrscherin Kleopatra hat Politik und Verführung sehr erfolgreich miteinander verbunden. Übrig geblieben sind davon Kleopatra-Klischees, die von der königlichen Hure bis zur ausgebufften Strategin reichen. Wie aber sah Kleopatra aus? Eine Antwort darauf gibt das Bucerius Kunst Forum in Hamburg

von Klaus Irler

Sie trinkt gerne in Essig aufgelöste Perlen, ist bei Asterix zu erfahren. In Tarsos traf sie Antonius seinerzeit in einem Schiff, dessen versilberte Ruder sich zum Schall der Flöten bewegten, schreibt der griechische Schriftsteller Plutarch. Etliche Jahrhunderte später, in den Jahren 1874/75, nimmt sich der Maler Hans Makart der Szene an: Auf seinem Ölgemälde schützt Kleopatra ihre noble Blässe mit einem Sonnenschirmchen, ist üppig gewandet und schaut der damaligen Hofburgtheater-Schauspielerin Charlotte Wolter sehr ähnlich. Wiederum einige Jahrzehnte später ist sie eine moderne Großstadtfrau, verkörpert von Claudette Colbert in dem Film „Cleopatra“ aus dem Jahr 1934. Keine Frage: Kleopatra hat sich seit ihrem Tod im Jahr 30 vor Christus im kulturellen Gedächtnis gehalten. Und sie hat viele Gesichter.

Dass die ägyptische Herrscherin über die Jahrhunderte Schriftsteller, Maler, Filmemacher und Comic-Zeichner interessiert hat, liegt an einer faszinierenden Mischung aus Lust, Macht und Intrigen. Kleopatra hat gekämpft, um oben zu bleiben. Dabei war eine ihrer Methoden, die zwei mächtigsten Männern ihrer Zeit zu verführen und sich von ihnen schwängern zu lassen: Sowohl mit Julius Cäsar als auch mit Antonius hatte sie Kinder. Kleopatra war einerseits vierfache Mutter, andererseits eine machtbewusste Herrscherin. In den Geschichtsbüchern wird sie gerne mit dem Attribut „skrupellos“ versehen.

Kleopatra also als strategisch operierender Vamp, als kluge Femme Fatale, letztlich besiegt vom römischen Kaiser Augustus, der den Mythos nährte, indem er sie als „königliche Hure“ diffamierte. Shakespeare machte ein Drama daraus, Bertolt Brecht widmete ihr in der Dreigroschenoper ein paar Zeilen und je mehr geschrieben und gezeichnet wird, desto mehr Gewicht bekommt die Frage: Wie sah Kleopatra eigentlich aus? Auf alexandrinischen Münzen ist sie mit maskulinen Gesichtszügen und großer, krummer Nase zu sehen. Kann das stimmen?

Eine Antwort darauf hat der Archäologe Bernard Andreae, und die lautet: Eine der berühmtesten Statuen der Antike, die Venus vom Esquilin, zeigt Kleopatra. Die Statue, so Andreae, sei eine exakte Kopie der Kleopatra-Statue, die Julius Caesar für seinen Venustempel in Auftrag gegeben habe. Wenn das stimmt, dann hatte Kleopatra ein Stupsnäschen in einem sehr symmetrischen Gesicht, aus dem eher Sanftmut als Herrschsucht herauszulesen ist. Andreae glaubt, dass der die Statue von dem Künstler Stephanos geschaffen wurde.

Für Archäologen und Kunstgeschichtler wäre diese Erkenntnis eine Sensation, und das Bucerius Kunst Forum in Hamburg ermöglichte Andreae gleich eine ganze Ausstellung, um seine These zu belegen. In der Mitte des Ausstellungsraumes steht die Venus vom Esquilin, rechts von ihr drei gesicherte Kleopatra-Portraitköpfe, zwei davon ohne Nase. Links von der Venus stehen ägyptische Königs-Statuen, gegenüber Portraitköpfe aus der Ahnengalerie Kleopatras. Der Beweis, dass die Venus vom Esquilin Kleopatra ist, führt Andreae nun auf mehreren Ebenen: Die Gesichtszüge inklusiver der etwas dickeren Unterlippe passt zur Ahnengalerie. Die Nacktheit der Venus passt zum eng anliegenden Etuikleid der äyptischen Königs-Statuen. Die Palmblattvase mit der Schlange sind Zeichen der Herrschaft: Sie zeigen Kleopatras Position, ebenso wie das Haarband, das als unverfänglicher Hinweis auf Kleopatras Diadem interpretiert werden kann – gekrönt hätte Caesar Kleopatra nicht zeigen können.

Darüber hinaus zeigt die Ausstellung eine Vielzahl von Statuen und Portraitköpfen aus Kleopatras Umfeld, von ihren Liebhabern über ihre Kinder bis zu Ahnen und Feinden. Außerdem zeigt sie, wie Szenen aus Kleopatras Leben in der Kunstgeschichte aufgegriffen wurden und ab dem 20. Jahrhundert dann in der populären Kultur. Kleopatras Leben und der Mythos darum wird miterzählt, um Interesse für Andreaes These auch jenseits der Fachwelt zu wecken. Die Herrscherin zieht halt immer noch.

Es gibt also manches zu erfahren über Kleopatras Leben, über ihre Männer und Feinde und wer mit wem wann unter einer Decke steckte. Verwirrend viele Namen sind das und schnell denkt man ans Fernsehen und seine Serien. Zumal der Geschichtsunterricht hier hauptsächlich von den Bildern lebt, ganz wie in der Mediengesellschaft.

Nur dass das Bild der Hauptdarstellerin nicht im Computer aufgebrezelt wurde, sondern beispielsweise von Michelangelo. Von dem hängt nämlich auch eine Zeichnung im Bucerius Kunst Forum, und die ist das zweite Pfund, mit dem die Ausstellung wuchert.

Kleopatra und die Caesaren: Bis 4. Februar 2007 im Bucerius Kunst Forum