Saddam Hussein hat ausgespielt

In der arabischen Welt ist der gestürzte irakische Diktator kein Held mehr. Das zeigen die Reaktionen auf das Todesurteil. Doch Hinweise auf die aktuelle Lage fehlen nicht

KAIRO taz ■ Einst hat sich Saddam Hussein als Saladin, als Volksheld der arabischen Welt, vermarktet. Viele arabische Nationalisten sahen in ihm tatsächlich jemanden, der den USA die Stirn bot und übersahen dabei gern Saddams blutige Herrschaft im eigenen Land. Nun wurde der Diktator am Sonntag zum Tode durch den Strang verurteilt, und die Kommentare in den arabischen Medien zeigen, wie sehr sich die Zeiten geändert haben.

„Saddam hat genug Verbrechen begangen, um das Urteil zu rechtfertigen. Er hat in jeder irakischen Stadt und in jedem Dorf eine Wunde hinterlassen“, schreibt die überregionale arabische Tageszeitung al-Hajat und fährt fort: „Seine Feindschaft gegenüber den USA absolutiert ihn nicht von seinen Sünden.“ Für die ebenfalls überregionale Schark al-Aussat gibt es „keine Strafe auf dieser Welt, die den Schmerz und die Qual lindern würden, die Saddam verursacht hat“.

Doch die Kommentare in den arabischen Medien gehen auch auf die Zeit nach dem Sturz des Diktators ein. In der unabhängigen ägyptischen Tageszeitung Al-Masri Al-Yom heißt es: „Wohin wird der Irak gehen, am Ende des dunklen amerikanischen Tunnels?“ Ein weiterer Al-Hajat-Kommentar fragt, warum US-Präsident George W. Bush und US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nicht ebenso wie Saddam Hussein für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen würden.

Auch wenn die Todesstrafe gegen Saddam kaum kritisiert wird, missfällt vielen arabischen Medien das Datum des Urteils. „Der Zeitpunkt des Urteils genau zu den US-Kongresswahlen war auch der Versuch der US-Regierung, die öffentliche Meinung zu Hause von der verheerenden Sicherheitslage im Irak und der wachsenden Zahl gefallen US-Soldaten abzulenken“, meint die staatliche ägyptische Tageszeitung al-Ahram. „Der Zeitpunkt zu den US-Wahlen vermittelt nicht gerade den Eindruck eines unabhängigen und parteilosen Gerichtes“, glaubt auch der Daily Star. Als „Grüne Zone Gerechtigkeit“, wird dort der Prozess bezeichnet, in Anspielung auf die schwer bewachte sogenannte Grüne Zone im Zentrum Bagdads, in der sich nicht nur das Gericht, sondern auch die US-Botschaft befindet.

In einem anderen Punkt ist sich die arabische Presse ebenfalls nahezu einig. „Das Urteil ist eine irrelevante Nebensache, verglichen mit dem heutigen täglichen Gemetzel im Irak. Es macht für das heutige irakische Blutbad nicht den geringsten Unterschied“, kommentiert der Daily Star. Die Iraker mögen eines Tages endgültig ihren brutalen Diktator loswerden, wenn er einmal gehenkt ist, aber, so prophezeit die Zeitung: „Es wird noch lange dauern, bis sie der heutigen Brutalität entkommen werden, die mit einer Offensive begann, der die USA einst den Codenamen ‚Operation Irakische Freiheit‘ gaben.“

KARIM EL-GAWHARY