Mut machen auf das Abenteuer Kind

In Niedersachsen und Bremen startet ein Projekt zur Unterstützung schwangerer Mütter in sozial schwierigen Lebenslagen. Um Fälle wie Kevin oder Nadine in Zukunft zu verhindern, ist „Pro Kind“ nur ein kleiner Schritt

Kevin aus Bremen, Nadine aus Gifhorn: Die Zeit, in der spektakuläre Fälle von Kindesvernachlässigung bekannt werden, ist eine gute Zeit für Politiker, um Programme zur Kinderbetreuung vorzustellen. Es wäre „vermessen“ zu glauben, man könne mit ihrer Initiative „jeden Fall der Vernachlässigung verhindern“, sagte Mechthild Ross-Luttmann gestern bei der Vorstellung von des Projekts „Pro Kind“. Man könne aber wenigstens versuchen, sagte die niedersächsische CDU-Sozialministerin, „diese Fälle frühzeitig zu verhindern“.

Gestern startete „Pro Kind“ offiziell in Braunschweig, Celle, Göttingen, Hannover und Wolfsburg. Rund 170 Mütter in sozial schwierigen Situationen sollen ab dem vierten Schwangerschaftsmonat von Hebammen und Sozialarbeiterinnen begleitet werden, anfangs einmal pro Woche, am Ende des zweiten Lebensjahrs des Kindes dann einmal im Monat. In Bremen läuft ein ähnliches Projekt mit etwa 100 Müttern.

Minderjährige, Mütter ohne Abschluss oder Ausbildung oder Suchtkranke sollten durch die Betreuung „Mut kriegen, sich auf das Abenteuer Kind einzulassen“, sagte Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen, der „Pro Kind“ wissenschaftlich begleitet. Das Projekt soll zunächst vier Jahre dauern, von den Kosten in Höhe von 2,7 Millionen Euro trägt das Land Niedersachsen 300.000 Euro, der Rest kommt von Sponsoren.

Vorbild für „Pro Kind“ ist ein Hausbesuchsprogramm in den USA, wo derzeit 24.000 Frauen betreut werden. Nach einem Hinweis von Ärzten oder Nachbarn suchen Hebammen Kontakt zu den werdenden Müttern. „Mit Checklisten“, so Pfeiffer, werden die Frauen über gesunde Ernährung aufgeklärt. Eine Sozialarbeiterin könne später dabei helfen, Wohngeld zu beschaffen oder die Beziehung zum Vater zu beobachten.

Vielleicht hätte eine solche Betreuung der kleinen Nadine aus Gifhorn das Leben gerettet. Weder Behörden, Nachbarn noch Bekannten ist aufgefallen, dass das im Oktober 2000 geborene Mädchen eines Tages nach Misshandlungen der Eltern starb. Dies hat die Mutter nach Polizei-Erkenntnissen einer Bekannten erzählt. Nach ihrem Tod soll die Dreijährige im Elternhaus aufgebahrt worden sein. Aus Angst vor dem Jugendamt verheimlichten die Eltern Nadines Tod und verscharrten das Kind im Harz. Eine im Jahr 2003 heimlich geborene Tochter meldeten die Eltern zudem den Behörden nicht, um sie als Nadine auszugeben. Die Mutter führte ihre dreijährige Tochter sogar zur Schuluntersuchung vor.

„Es gab keine Hinweise auf Kindesmisshandlung oder auf eine Vernachlässigung“, sagte gestern die Gifhorner Kreisrätin Ingrid Alsleben. Dabei hatte das Jugendamt Kontakt zur Familie – allerdings wegen eines anderen Kindes. Nadines Leiche ist noch nicht gefunden, auf einem Weihnachtsvideo aus dem Jahr 2002 ist sie allerdings nicht mehr zu sehen. Die Mordkommission ermittelt weiter. KAI SCHÖNEBERG