BEI MINUSGRADEN
: Puddingattentate

Polizeieinsatz auf dem Columbiadamm

Ich möchte nicht über diesen Mann reden, sagt eine Deutsche türkischer Herkunft im Ersten Deutschen Fernsehen. Eine andere schimpft ebenfalls auf den Exbanker Thilo S. Unterdessen geht das Leben im Problemkiez Berlin-Neukölln seinen gewohnten Gang. Vor ein paar Tagen war die U-Bahn-Linie 7 unterbrochen, irgendein Scherzbold hatte mehrere verdächtige Koffer am Gleis abgestellt. Vor paar Jahren hätte man die leeren Koffer wie ein Puddingattentat der linken Spaßfraktion wohlwollend goutiert.

Doch jetzt ist die Lage ernst. Attentäter aus Afghani-, Paki- und Waziristan lauern vor den Abfertigungsschaltern ihrer Heimatflughäfen, lassen Sicherheitskontrollen souverän über sich ergehen und bringen unbemerkt Sprengstoff im Dickdarm ins Land.

Die Lautsprecheransage am Bahnhof Friedrichstraße noch im Ohr, optiere ich dafür, am Mehringdamm weiterzufahren und erst am Platz der Luftbrücke auszusteigen. Es ist kalt, scheißkalt. Schneeregen peitscht ins Gesicht. Vor mir liegt der Columbiadamm. Eine Rennstrecke für Jogger, ein unendlich weiter Weg für den Flaneur. Ich will nach Hause. Was kümmern mich die Drohungen gegen die Reichstagskuppel in diesem Moment. Klar will ich nur geplante Feuerwerke am Berliner Himmel erleben, aber so viel Hysterie?

Der Columbiadamm ist von einem Polizeieinsatz in Beschlag genommen: Vor der Moschee fischen dick eingemummte grüne Männchen Fahrzeuge aus dem Verkehr. Ich selbst hatte sie zu spät gesehen und meine wirren von allerlei Grimassen unterlegten Selbstgespräche nicht eingestellt. Ein bulliger Beamter gab mir, den Lauf seiner Maschinenpistole auf meine Brust gerichtet, zu verstehen, erst mal anzuhalten. Eine Leibesvisitation stand an, bei gefühlten drei Grad Minus. Ich zitterte so sehr, dass der Polizist dreimal nachfassen musste. TIMO BERGER