DIE NOVELLE DES STASIUNTERLAGEN-GESETZES WIRD VERTAGT – ZU UNRECHT
: Irrtum der Kritiker

Einspruch lohnt sich. Die Novelle des Stasiunterlagen-Gesetzes wird nicht am Freitag im Bundestag behandelt, um Bedenken der Kritiker Rechnung zu tragen. Stein des Anstoßes: Im öffentlichen Dienst soll die „Regelüberprüfung“ auf eine mögliche frühere Zusammenarbeit mit der Stasi auslaufen – und damit ein Schlussstrich unter die Aufarbeitung des SED-Regimes gezogen werden. Die Befürchtung ist schlicht und einfach falsch. Zum einen wird die Regelanfrage etwa in den Bundesländern Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern schon seit Jahren nicht mehr praktiziert, ohne dass dies Anlass zu Empörung oder kritischen Nachfragen gegeben hätte. Und der Westen der Republik hatte eine derartige Regelanfrage gar nicht erst eingeführt.

Rund fünf Millionen Anfragen hat die Stasiunterlagen-Behörde seit ihrem Bestehen abgearbeitet; zwei Millionen wurden von Privatpersonen und drei Millionen von den verschiedenen Behörden – vom Finanzamt bis zum Schuldienst – gestellt. Man darf heute wohl mit einigem Recht davon ausgehen, dass fast jeder Mitarbeiter im öffentlichen Dienst schon einmal Gegenstand einer Überprüfung war. Es wurde also das Ziel erreicht, die ehemaligen Zuträger des DDR-Repressionsapparates von öffentlichen Funktionen fernzuhalten.

Die von der Regierung und den Bündnisgrünen vorgelegte Novellierung verfolgt sogar das Gegenteil eines Schlussstrichs. Sehr bewusst hatten sich die Parlamentarier bei der Verabschiedung des Stasiunterlagen-Gesetzes vor 15 Jahren dafür eingesetzt, dass die Überprüfungen in Analogie zu den Verjährungsfristen des Strafgesetzbuches irgendwann einmal auslaufen müssten. Der jetzt von der Tagesordnung genommene Gesetzentwurf sollte nun sicherstellen, dass Überprüfungen auf eine frühere Stasitätigkeit weiter vorgenommen werden können. Nur 17 Jahre nach dem Untergang der DDR sollte der massenhafte „Regelfall“ durch den selteneren „Verdachtsfall“ ersetzt werden. Und dafür ist es höchste Zeit – auch wenn die Kritiker der Novellierung das nicht wahrhaben wollen.

WOLFGANG GAST