Protestierende jubeln nach kurzem Prozess

THAILAND Verfassungsgericht stürzt Regierung von Yingluck Shinawatra und hilft damit der fragwürdigen Protestbewegung

Die Anhänger des Regierungslagers sprechen von einem „juristischen Putsch“

AUS BANGKOK NICOLA GLASS

„High Noon for Yingluck“ lautete die Schlagzeile der englischsprachigen Bangkok Post am Mittwoch. In der Tat war es um die Mittagszeit, als das Urteil gegen Premierministerin Yingluck Shinawatra fiel: Thailands Verfassungsgericht hat diese einstimmig des Amtsmissbrauchs für schuldig befunden. Ihr „Status“ als Regierungschefin sei beendet, so die Richter bei der live im Fernsehen übertragenen Urteilsverkündung.

Mit der rechtswidrigen Entlassung von Thawil Pliensri, dem damaligen Chef des Nationalen Sicherheitsrates, zugunsten eines Verwandten 2011 habe Yingluck gegen die Verfassung verstoßen. Gemeinsam mit der Premierministerin, die alle Anschuldigungen von sich gewiesen hat, müssen auch neun Mitglieder ihres Kabinetts gehen, die an der Versetzung des Sicherheitschefs beteiligt waren. Der von der Vorgängerregierung eingesetzte Thawil gilt als ausgewiesener Gegner Yinglucks. Aufgrund eines anderen Gerichtsentscheids hat er seinen Posten mittlerweile zurückerhalten.

Zwar darf der Rest des Kabinetts, das nun Handelsminister Niwatthamrong Boonsongpaisarn als Übergangspremier führen soll, laut Gericht im Amt bleiben. Doch die politische Uhr könnte auch für die Übriggebliebenen ticken: Weil es nach der Auflösung des Parlaments Ende 2013 und wegen der am 2. Februar abgehaltenen, aber inzwischen annullierten Wahlen kein Parlament mehr gibt, hat die Übergangsregierung nur begrenzte politische Macht. Auch wird die oppositionelle Protestbewegung unter Suthep Thaugsuban, der statt der gewählten Regierung einen demokratisch nicht legitimierten Volksrat fordert, keine Ruhe geben.

Das jüngste Urteil ist nur eines von vielen der als parteiisch geltenden thailändischen Justiz gegen Verbündete von Expremier Thaksin Shinawatra. Der war 2006 vom Militär gestürzt worden. Bereits 2007 hatte das Verfassungsgericht die damalige von Thaksin mitgegründete Partei „Thais lieben Thais“ (TRT) für aufgelöst erklärt. Im Dezember 2008 ereilte die TRT-Nachfolgepartei „People Power Party“ dasselbe Schicksal. Thaksins Anhänger sprechen von einem „juristischen Putsch“ und fürchteten bereits, dass es seiner Schwester Yingluck ähnlich ergehen würde.

Während Yingluck ihren Anhängern in einer Ansprache dankte, sprach ein Führer ihrer Partei von einem „koordinierten Versuch“, die regierende Puea-Thai-Partei zu zerstören. Indes kündigen regierungstreue „Rothemden für das Wochenende einen Protest an: „Wir wollen zeigen, dass wir keine Schachzüge gegen die Verfassung akzeptieren“, sagte Jatuporn Promphan in Anspielung auf die Forderungen Sutheps.

Auch unabhängige Beobachter kritisieren die offen zutage getretene Parteilichkeit der Justiz. „Die Frage wird sein, ob die jetzige Regierung ohne Yingluck in der Lage sein wird, zu bestehen“, wurde der Jurist und politische Analyst Verapat Pariyawong zitiert. Angesichts neuer zu erwartender Spannungen sehen viele Kritiker die Gefahr eines Bürgerkriegs oder ziviler Unruhen, sollten auch die verbliebenen Mitglieder der Regierung durch undemokratische Maßnahmen entmachtet werden. Abzuwarten bleibt, ob es bei der für den 20. Juli angekündigten Wiederholung der Parlamentswahlen bleibt. Diese wird nötig, weil die Abstimmung vom Februar für nichtig erklärt wurde.

Es war auch in diesem Fall das Verfassungsgericht, das die Wahl mit der Begründung annulliert hatte, diese habe nicht an einem einzigen Tag stattgefunden. Die Protestbewegung unter Suthep, einem einstigen Vizepremier, hatte Wahllokale gewaltsam blockiert und angekündigt, auch die Juli-Wahl zu verhindern.

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