Krieg den Palästen

Arbeitslose dürften die Urteile des Bundessozialgerichts zu Hartz IV mit gemischten Gefühlen aufnehmen: Wochenend-Papis und Mieter können aufatmen, Wohnungsbesitzer müssen bangen

VON BENJAMIN WASSEN

Das Urteil des Bundessozialgerichts zum Wohneigentum von Arbeitslosen hat bei Arbeitslosenvertretern Entsetzen ausgelöst. „Das ist ein Paradigmenwechsel“, so Martin Behrsing vom Bonner Erwerbslosenforum Deutschland. Harald Thomé vom Wuppertaler Arbeitslosenzentrum Tacheles nannte die Entscheidung „fatal“.

Das Bundessozialgericht hatte am Dienstag in einem von drei Grundsatzurteilen Richtgrößen für Eigentumswohnungen festgelegt, die Empfängern von Arbeitslosengeld II (ALG II) zugestanden werden müssen. Für ein bis zwei Personen seien 80 Quadratmeter angemessen, für eine vierköpfige Familie 120 Quadratmeter, erklärte das Gericht. Bisher allerdings hieß es in den Ausführungsbestimmungen der Bundesagentur für Arbeit, dass bei Eigentum bis zu einer Größe von 130 Quadratmetern keine Prüfung notwendig ist. „Das war erheblich gerechter, denn es ist ja so, dass Wohneigentum häufig einfach größer ist als die jetzt fest geschriebenen 80 Quadratmeter“, kritisiert Behrsing. Immerhin lebt laut Bundesagentur für Arbeit jedes siebte Paar, das von Hartz IV betroffen ist, in den eigenen vier Wänden. „Von denen droht jetzt natürlich vielen, ihr Eigentum verwerten zu müssen“, fürchtet Behrsing.

Eine andere Entscheidung des Bundessozialgerichts bewertet Behrsing dagegen positiv. Die Richter erklärten, dass Kommunen sich bei der Festlegung der zu zahlenden Mietkosten nicht mehr an bundesweiten Tabellen orientieren dürfen. „Das stärkt auf jeden Fall die Position der Mieter. In Zukunft müssen die Kommunen genauer hinsehen, wie viel sie zu zahlen haben“, meint Martin Behrsing. Zwar würden in den meisten Städten heute schon Mietspiegel erhoben, „die sind dann aber häufig viel zu niedrig. In Bonn bewegen wir uns auf einem Niveau von 1992.“ Der Städtetag NRW erklärte dagegen, das Gerichtsurteil werde keine weitreichenden Änderungen bringen. „Schon heute arbeiten die Städte nach unserem Eindruck nicht mit irgendwelchen bundesweiten Pauschalen. Üblicherweise gucken die einzelnen Kommunen auf das dortige Mietniveau.“

In einer weiteren Entscheidung hat das Bundessozialgericht geschiedenen Vätern, die ALG II beziehen, den Rücken gestärkt. Ein Duisburger hatte von der für ALG-II-Empfänger zuständigen Arbeitsgemeinschaft (Arge) Geld gefordert, um die Besuche seiner getrennt lebenden Töchter finanzieren zu können. Das Gericht gab ihm Recht. Die Entscheidung wollten gestern weder die Arge noch die Stadt Duisburg kommentieren. Begrüßt wurde sie dafür vom Verein „Väteraufbruch für Kinder“. NRW-Landesvorsitzender Wolf-Günter Grieser: „Das Urteil ist zwar nur ein Anfang, aber der Tenor ist zu begrüßen. Wir müssen abwarten, ob Zuschüsse zu Bahnfahrkarten wirklich ausreichen, um einen Umgang mit den Kindern zu fördern, der eine echte Beziehung zulässt.“