Darling Doll

Der Hamburger SV verliert schon wieder, doch Thomas Doll will immer noch nicht aufgeben. Die Klubführung scheut den Rauswurf des bei Mannschaft und Fans nach wie vor beliebten Trainers

aus stuttgart oliver trust

Wie ein Schuljunge, den ein schlechtes Gewissen und die Angst vor Maßregelung daheim umtreiben, schlich Bernd Hoffmann an der Wand des Kabinenganges des Gottlieb-Daimler-Stadions entlang. Mit dem rechten Fuß trat der Vorstandsvorsitzende des HSV erst gegen die Wand, dann gegen eine Tür, wieder die Wand und anschließend wieder eine Tür. Er schüttelte unentwegt den Kopf. „Am Samstag ist ein sehr entscheidendes Spiel“, sagte Hoffmann nach dem 0:2 in Stuttgart, als die Hamburger lange die bessere Mannschaft gewesen waren und trotzdem wieder mal verloren, „aber ich sehe kein Trainerspiel“.

Am kommenden Samstag tritt der HSV zu Hause gegen Mönchengladbach an, und es wird derweil weiter diskutiert, wie lange Thomas Doll noch Trainer bleiben will, darf und soll. Mit gebanntem Blick hatte Hoffmann hinter dem Pulk von Journalisten gestanden, die sich um Thomas Doll, seinen Trainer, versammelten. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete Hoffmann den HSV-Coach, als erwarte er jede Sekunde dessen Rücktrittserklärung. Die kam nicht. Noch nicht. Gerüchte gibt es derweil viele. Das vom nun letzten Spiel für Doll gegen Gladbach, von den Plänen, ihn im Falle einer Niederlage selbst kündigen zu lassen und ihm trotzdem eine Abfindung zu zahlen, damit alle ihr Gesicht wahren können. Und es gibt die Eindrücke, die man in den Gesichtern ablesen kann, die zu sagen scheinen, wir hoffen noch, dass Doll die Kurve kriegt und endlich ein befreiender Sieg gelingt. Der Trainer ist äußerst beliebt beim Anhang, ihn einfach zu entlassen, wäre kein einfacher Vorgang. Schimpf und Schande ist nicht eindeutig zuzuordnen und nicht weit genug von der Vereinsführung fern zu halten. Zumal sich die Vereinsspitze um Hoffmann und Manager Dietmar Beiersdorfer nicht aus der Verantwortung für die Krise stehlen kann.

Draußen vor dem Mannschaftsbus wurden die paar Meter zwischen den Absperrgittern und der Eingangstüre zur blauen Teamkarosse zur Debattiermeile. Viele Spieler standen da und äußerten die Befürchtung, Doll könne bald die Nase voll haben von der ewigen Talfahrt mit dem Sportverein aus Hamburg, dem bisher nur ein einziger Sieg gelang. Von Christoph Daum wird als Nachfolger geredet, weil es keine anderen geeigneten Kandidaten und keinen Notplan gibt.

Vorerst aber gibt es die „Sorge“ um Doll. Gleich nach dem Schlusspfiff eilte Manager Beiersdorfer wie ein besorgter Vater zu Doll. Er habe ihm gesagt, es sei doch gar nicht so schlecht gewesen. Kurz vor elf Uhr kam Beiersdorfer als Letzter aus der Führungsriege zum Bus und zog unentwegt die Schultern hoch. Er glaube nicht an eine Aufgabe von Doll. Man werde weiter kämpfen und schließlich habe es in Stuttgart eine Menge positiver Ansätze gegeben. Die vielen Verletzten – acht sind es in der Tat – kämen irgendwann zurück und damit auch wieder mehr Qualität. „Der Trainer ist kein Thema, man hat doch gesehen, die Mannschaft lebt.“ Das galt auch für Doll, der munter erzählte vom „weiter an sich glauben“ und „den harten Weg gehen“. Zumindest äußerlich scheint er fast unberührt vom Theater um ihn herum. Selbst als einer eine Flasche Cola vor ihm umwirft, die ihn nass spritzt, bleibt er ruhig und sagt: „Das ist meiner Tochter auch schon passiert.“