„Weil wir viele sind“

TEILHABE In Wilhelmsburg diskutieren Initiativen über das Für und Wider von Bürgerbeteiligung

■ 52, Stadtplanerin, im Beirat Karo-Viertel, gibt für „Die neue Gesellschaft – Vereinigung für politische Bildung“ Seminare.

taz: Frau Hollstegge, wieso sollten BürgerInnen an den Parteien vorbei an politischen Entscheidungen beteiligt werden?

Hanne Hollstegge: Aus drei Gründen: BürgerInnen fühlen sich mit ihren Anliegen von Parteien oft nicht vertreten oder sogar missachtet. Die BürgerInnen sind vor Ort oft kenntnisreicher und gut vernetzt, so wie Politiker es nicht sein können. Und wir wollen auf unsere Situation schlicht Einfluss haben.

Ergebnis von diesem Einfluss ist etwa, dass die Kinder nicht mehr so lange gemeinsam lernen dürfen, wir aber bald mit der Seilbahn über die Elbe fahren können. Was ist mit solchen Entscheidungen gewonnen?

Nicht jede Initiative, die in einen Bürgerentscheid mündet, ist per se gemeinwohlorientiert, auch wirtschaftliche Interessen spielen eine Rolle. Idealerweise sollte es aber meiner Meinung nach im Engagement in dieser Stadt vor allem um die sozialen Belange derjenigen gehen, die ein geringes Einkommen und wenig Gestaltungsmacht haben.

Aber setzen sich am Ende dann nicht doch wieder nur die durch, die am lautesten brüllen können?

Manchmal gewinnen die, die viel Geld für Öffentlichkeitsarbeit haben. Aber nicht immer wie es sich bei „Hamburg – unsere Netze“ gezeigt hat. Aber natürlich fällt es Leuten leichter, etwas zu bewegen, wenn sie genug Einkommen haben und die Bewältigung des täglichen Lebens nicht zu viel Mühe macht. Klar, Bildung kann nützlich sein, aber vor allem sozialer Zusammenhalt und die Motivation die Situation ideenreich, solidarisch und praktisch voranzubringen, zeigt Früchte – wie etwa bei den Lampedusas oder im Gängeviertel.

Nun kann man sagen, dass die politischen Vertreter genau dafür da sind und bezahlt werden. Wieso können Sie das denn besser?

Weil wir viele sind und dadurch eine Menge Wissen und Erfahrung zusammenkommen kann. Und dafür müssen unter anderem die Stadtteilbeiräte mit langfristigen Perspektiven und finanziell gut ausgestattet werden, die Initiativen müssen ernstgenommen werden und vieles vieles mehr. Es geht mir dabei nicht darum, allgemein gegen Politiker zu sein. Es geht mir um bessere Politik, um sozialere, ökologische von vielen getragene politische Entscheidungen.

INTERVIEW: ILK

Beteiligungsforum – Gestaltungsmacht oder Mitmachfalle?: 15 bis 22 Uhr, Bürgerhaus Wilhelmsburg, Mengestr. 20. Der Eintritt kostet nichts, aber eine Sende von 5 Euro wird gern genommen.