Kommunikativer US-Botschafter

Er stellt sich bedingungslos vor seine MitarbeiterInnen: „Sie sind die Besten“, hat Philip D. Murphy in den letzten Tagen immer wieder erklärt. Der 53-Jährige, der seit 2009 US-Botschafter in Deutschland ist, hat derzeit eine Menge Fragen zu beantworten, sind doch die Einschätzungen seiner Mission über die deutschen Regierungsmitglieder seit Montag im Internet nachzulesen.

Murphy hat eine Menge zu erzählen, der Mann ist ausgesprochen kommunikativ. Regelmäßig lädt er in seiner luxuriösen Residenz im Berliner Süden zum Abendessen ein – und nicht nur wegen der ausgezeichneten Küche sind die Einladungen geschätzt: Murphy führt humorvoll und locker durch den Abend und bringt Deutsche und US-Amerikaner an einen Tisch, die sonst kaum miteinander reden würden.

Und Murphy ist Obamas Wahl für den Posten. Der gelernte Wirtschaftswissenschaftler und Investmentbanker mit sozialer Ader und zahlreichen karitativen Engagements, der jahrelang unter Howard Dean im Vorstand der Demokratischen Partei arbeitete, pflegt eine scharfe Abgrenzung zur Politik der Vorgängerregierung. Das kommt in Deutschland gut an. Sein eigener Vorgänger in Berlin, der Republikaner Dan Coats, ist gerade zum Senator gewählt worden.

Gerade für jemanden wie Murphy macht die Veröffentlichung der Dokumente wirklich etwas aus. Wer will schon am großen Tisch im Saal der Residenz noch Vertrauliches von sich geben, wenn er sicher weiß, dass es anschließend in Depeschen verarbeitet wird und womöglich gar nicht vertraulich bleibt?

Murphy ist jemand, der Vertrauen schaffen kann. Er kennt die deutsche Gesellschaft gut, seit er zwischen 1993 und 1997 bei Goldman Sachs in Frankfurt arbeitete, sein Deutsch ist hervorragend, und im Unterschied zu den meisten US-Amerikanern sind seine Familie – Frau, vier Kinder – und er Fußballfans.

Murphy ist wütend über die Wikileaks-Veröffentlichung, hält sie für kriminell und schädlich und gibt sich dennoch zuversichtlich. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen seien stark genug, so etwas auszuhalten, sagt er immer wieder. Die Frage bleibt: Ist er selbst das auch?

BERND PICKERT