Jetzt mal bitte alle nachdenken!

E-MOBILITY VERPATZT

Warum verbannt man nicht sonntags den Durchgangsverkehr aus dem Tiergarten?

„Wozu Bürgerbeteiligung? Bei uns kommt die Politik aus dem Bezirksamt.“ So ähnlich könnte man den alten Spruch von den AKWs und der Steckdose auf Pankow ummünzen, wo der grüne Stadtrat Jens-Holger Kirchner gerade ein Modellvorhaben zur E-Mobilität vergeigt hat. Schon im kommenden Jahr wollte er einen Monat lang alle Verbrennungsmotoren aus dem Helmholtzkiez verbannen. Aber das Projekt war schon tot, als die Presse darüber schrieb, denn Kirchner hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Anwohner in seine Pläne einzubeziehen. So wenig wie seinen Bürgermeister.

Erheiternd ist auch jetzt noch, sich durch die Kommentare im Netz zu klicken. „Herr Kirchner und seine grünen Ökokraten können die Tonnen ja per Handkarren abtransportieren“, schrieb einer. Dagegen schwadronierte ein anderer über die „vollkommen durchgentrifizierte Gegend“, wo man mit einem solchen „Selbstbespaßungsprogramm“ kein Problem habe.

Hätte Pankows SPD-Bürgermeister Matthias Köhne nicht umgehend „den Stecker gezogen“ (O-Ton Köhne), vielleicht wäre ja noch ein interessanter Kompromiss ausgehandelt worden. Höchstwahrscheinlich aber nicht. Denn BürgerInnen reagieren heute zu Recht sehr sensibel auf Versuche, in ihre Lebenswelt einzugreifen, ohne vorher zu fragen. Dass Kirchner das noch vorhatte, gilt nicht. Der Kiez war ja schon ausgewählt.

Damit das Ganze im Sinne der Dialektik doch Gutes hervorbringt, muss man jetzt bessere Ideen entwickeln. Als Denkanstoß: Warum belohnt man nicht die Bereitschaft, den eigenen Stinker eine Zeit lang stillzulegen, mit einem Carsharing-Sonderangebot? Warum verbannt man nicht sonntags den Durchgangsverkehr aus dem Tiergarten? Dann hätte sich Kirchners Brechstangenpolitik am Ende doch gelohnt. CLAUDIUS PRÖSSER