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BILDUNG Die Zahl der nachhaltigen Studiengänge und Weiterbildungen steigt deutlich an, vor allem in den Ingenieur- und Naturwissenschaften. Die meisten sind kostenlos. Etwa jeder vierte Studiengang ist interdisziplinär aufgebaut

Ganze Arbeitsfelder „ergrünen“, Expertise von Nachhaltigkeitsexperten ist gefragt

VON KRISTINA SIMONS

Die deutsche Studienlandschaft wird immer grüner: Themen wie nachhaltige Entwicklung, Umwelt- und Klimaschutz, erneuerbare Energien oder energieeffizientes Bauen sind heute an vielen Unis und Fachhochschulen wichtiger Teil des Studien- und Weiterbildungsangebots. 364 Treffer spuckt die Studiengangsuchmaschine „Finder“ beim Stichwort „Umwelt“ aus (Stand: April 2014). Die meisten werden von staatlichen Hochschulen angeboten und sind dann – abgesehen von Semesterbeiträgen – in der Regel kostenlos. Etwa jeder vierte Studiengang im Bereich Nachhaltigkeit ist interdisziplinär aufgebaut. Beispielsweise geht es darum, gemeinsame Forschungsfragen und Methoden zur nachhaltigen Entwicklung in Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft zu erarbeiten.

Insgesamt dominieren das Angebot nach wie vor die Ingenieurwissenschaften, gefolgt von den Naturwissenschaften. Vereinzelt gibt es allerdings auch in den Geisteswissenschaften nachhaltige Studiengänge, etwa (als Nebenfach) „Nachhaltigkeitshumanwissenschaften“ an der Leuphana Universität Lüneburg. Das Thema nachhaltige Entwicklung wird hier aus sozialen, kulturellen, ökologischen und wirtschaftlichen Perspektiven betrachtet. Die Studierenden sollen am Beispiel eines konkreten Fallgebiets in interdisziplinären Teams Probleme analysieren und lösen lernen, Methoden der Zukunftsforschung anwenden und nachhaltigkeitsorientierte Szenarien entwickeln. Seit 2010 hat die Leuphana Universität eine eigene Fakultät Nachhaltigkeit mit insgesamt 25 Professuren in den Bereichen nachhaltigkeitsorientierte Wirtschafts-, Rechts-, Planungs- und Politikwissenschaften sowie Ökologie, Umweltchemie und Umweltkommunikation.

Ganz auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) in Brandenburg. Eine Besonderheit ist der Bezug der Fächer zum ländlichen Raum und zugleich die enge Kooperation mit regionalen und internationalen Partnern aus Forschung und Praxis. In den Fachbereichen Wald und Umwelt, Landschaftsnutzung und Naturschutz, Holztechnik sowie nachhaltige Wirtschaft stehen 17 Studiengänge zur Auswahl, zum Beispiel mit Bachelor-Abschluss „Landschaftsnutzung und Naturschutz“, mit Master-Abschluss „Regionalentwicklung und Naturschutz“ oder berufsbegleitend „Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement“. Im Masterstudiengang „Nachhaltiges Tourismusmanagement“ können sich pro Jahr 40 Studierende einschreiben, etwa ein Drittel von ihnen kommt in der Regel aus dem Ausland. „Nachhaltiger Tourismus fristet kein Nischendasein mehr“, sagt Studiengangsleiter Hartmut Rein. „Auch im Massentourismus wird heute, zumindest in entwickelten Ländern, zunehmend darauf geachtet, Hotels nicht in sensiblen Naturräumen zu bauen, Ressourcen zu schonen und zeitgemäße Umwelttechnologien zu nutzen.“ Viele der Absolventen sind bei Reiseveranstaltern als Fachleute für Nachhaltigkeit tätig. Oder sie kümmern sich als Tourismusmanager direkt in den Urlaubsregionen für die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards.

Die Universität Rostock bietet seit 2007 berufsbegleitend die wissenschaftliche Weiterbildung „Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citizenship (CC) – Unternehmen in der Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft“ an. Voraussetzung ist ein Hochschulabschluss oder mindestens ein Jahr Berufserfahrung. „Das Thema boomt und wir haben immer sehr viel mehr Bewerber, als wir aufnehmen können“, berichtet die Weiterbildungskoordinatorin Katrin Claussen. Angefangen hat die Uni mit einem Kurs pro Jahr, seit 2012 gibt es zwei im Winter- und einen im Sommersemester. Die jeweils maximal 15 Teilnehmer kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen. „Darunter sind zum Beispiel Umweltberater, Industrie- und Umweltmanager, Wirtschaftsmediatoren, Leute aus dem Umweltmarketing oder der Unternehmenskommunikation“, weiß Claussen. „Einige machen die Weiterbildung auf Veranlassung ihres Arbeitgebers, um anschließend eine CSR-Strategie im Unternehmen entwickeln zu können. Andere nutzen sie als Sprungbrett für eine berufliche Neuorientierung.“ Manche hätten auch rein privates Interesse. Anita Hayoz, die als Dozentin für Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement tätig ist, hat die Weiterbildung absolviert, „damit ich selbst den CSR-Ansatz besser verstehe und ihn dann auch meinen Studierenden verständlicher und mit Praxisbeispielen angereichert vermitteln kann.“ Zuvor hatte sie an der Uni Rostock im Fernstudium einen Master im Fach „Umwelt & Bildung“ gemacht.

Auch Unternehmen wissen um die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility – nicht zuletzt aus Imagegründen. Der Wissenschaftsladen Bonn, der Stellenangebote für Geisteswissenschaftler und im Bereich Umweltschutz auswertet und zusammenstellt, spricht von einer „Ergrünung“ ganzer Arbeitsfelder. Expertise von Nachhaltigkeitsexperten sei gefragt.

■ Studiengangsuchmaschine Finder: http://studienwahl.de/de/studieren/finder.htm ■ Leitfaden „Studium und Forschung zur Nachhaltigkeit“: www.leitfaden-nachhaltigkeit.de